Gebt den Menschen ihre Würde zurück!
Ob ich nun das T-Shirt bei Kik gekauft habe oder in einem der teureren Textilgeschäfte: Ziemlich oft steht auf dem Etikett "Made in China" oder "Made in Taiwan" oder "Made in Bangladesch". Was ich später an meinem Körper trage, ist vorher durch die Hände einer jungen Frau oder eines Kindes in einem der asiatischen Billig-Lohn-Länder gegangen. Durch die Hände einer Frau, die am Arbeitsplatz zusammenbricht, weil sie sich von dem Hungerlohn, den sie bekommt, nicht ausreichend ernähren kann. Durch die Hände eines Kindes, das keine Schule sieht, weil alle in der Familie mithelfen müssen, um zu überleben. Durch die Hände eines Menschen, der ums Leben gekommen ist, weil das Fabrikgebäude, Jahr für Jahr ohne Genehmigung aufgestockt und mit schwersten Maschinen bestückt, über ihm eingestürzt ist.
"Warum lasst Ihr zu, dass Menschen unter unmenschlichen Umständen für Euch arbeiten?" werden die Firmen gefragt, die solche T-Shirts oder Jeans oder Blusen verkaufen. Und die beteuern, alles Mögliche zu tun, um Kinderarbeit zu vermeiden und für angemessene Löhne zu sorgen. Aber im konkreten Fall wissen sie von nichts. Und die Verantwortlichen zucken mit den Schultern, weil das System sehr kompliziert ist: da gibt es Zwischenhändler und Großhändler und Aufkäufer. Am Ende weiß keiner mehr genau, wo und unter welchen Bedingungen hergestellt wurde, was auf ihrem Ladentisch liegt.
Ich stelle mir vor, was geschieht, wenn der Kunde wirklich König ist und souverän alle Kleidungsstücke und Textilien wieder ins Regal zurück legt, auf deren Etikett "Made in Bangladesch" steht. Und den Textilkonzernen sagt: Wir kaufen eure Produkte erst dann wieder, wenn sich die Arbeitsbedingungen in Asien verbessert haben: Wenn die Menschen mehr verdienen als einen Hungerlohn. Gegenwärtig liegt der Lohnanteil am Endpreis bei schäbigen drei Prozent. Wenn die Arbeitszeiten stimmen und die Menschen jemanden haben, der ihre Interessen vertritt.
Niemand will, dass die Produzenten dann weiterziehen in ein anderes Niedrig-Lohn-Land und die geschlagenen Menschen auch noch arbeitslos machen. Also werde ich für das T-Shirt oder die Hose oder die Bluse einen angemessenen Preis bezahlen müssen. Ich möchte jedenfalls kein Kleidungsstück am Körper tragen, bei dessen Herstellung Menschen gelitten haben. Die Näherinnen und die Kinder am Förderband leben in einem fernen Land. Aber Nächstenliebe ist kein geographischer Begriff. Nächstenliebe gilt auch denen in der Ferne. Solange deren Menschenwürde mit Füßen getreten wird, dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen.