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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Familie ist mehr

Familie ist mehr

„Spielen wir Vater, Mutter, Kind“? Noch als ich ein Junge war, wussten alle Kinder, wie das geht: Ein Junge spielt den Vater, der das Geld verdient und das Sagen hat, ein Mädchen die Mutter. Sie versorgt Haushalt und Kinder. Und der Rest spielte so viele Kinder, dass alle mitspielen konnten. Das ist jetzt vierzig Jahre her, und in dieser Zeit hat sich „Familie“ ziemlich verändert. Die Evangelische Kirche hat kürzlich in einer „Orientierungshilfe“ Vorschläge gemacht, Familie offener, nämlich als „verlässliche Gemeinschaft“ zu beschreiben und dabei natürlich auch berücksichtigt, was in der Bibel zu Ehe und Familie zu finden ist.

Für das Ergebnis hat es ordentlich Kritik gehagelt: Von der katholische Kirche: Sie versteht die Ehe zwischen Mann und Frau als Sakrament und sieht die Ökumene gefährdet. Andere spotten über die „Kuscheltheologie“ und eine billige Anpassung an den Zeitgeist. Will die evangelische Kirche wirklich darauf verzichten, den Menschen zu sagen, was Ehe und Familie ist, die einzig richtige, weil biblische Lebensform? Offenbar tut sie das. Sie traut den Menschen zu, sich neu an Werten zu orientieren, die in der Bibel und im christlichen Glauben wichtig sind. Und so in einer partnerschaftlichen Familie zu leben, auch heute.

Der Kirchenpräsident der südhessischen evangelischen Kirche Volker Jung hat selbst an dem evangelischen Familienpapier mitgearbeitet. Er sagt über diese Werte aus dem Glauben: „Es kommt darauf an „eine Beziehung verbindlich, verlässlich, verantwortungsvoll und partnerschaftlich zu gestalten“. Das kann gut in einer Familie mit Vater, Mutter und Kind geschehen, aber auch in anderen Lebensformen.

Auch das sind Familien: Das kinderlose Ehepaar, das eine alte Tante versorgt, homosexuelle Paare mit Kindern, alleinerziehende Eltern, Patchworkfamilien. Schon in der Bibel findet man unterschiedliche Formen von Ehe und Familie: Mose hat eine leibliche und eine soziale Mutter, Abraham hat mit zwei verschiedenen Frauen Kinder. Der Apostel Paulus dagegen, wünschte sich, dass alle, wie er, ehelos leben.

Schon unter den ersten Nachfolgern Jesu gab es christliche Großfamilien, die sich partnerschaftlich Häuser und Äcker teilen und andere, die ihre Familie verlassen und ohne Heimat und Besitz ein Wanderleben führten. Viele Jugendliche heute wünschen sich, später einmal eine eigene Familie zu haben. Das finde ich wunderbar, weil ich erfahren habe, dass man in einer Familie glücklich sein kann. Ich weiß auch: eine Familie kann auch anders sein als Vater, Mutter, Kind. Ich glaube, unter dem Segen Gottes stehen alle Familien, die verbindlich und verlässlich sind, partnerschaftlich und verantwortungsvoll.