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Wildfang, Christoph

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Daten speichern und Erinnerung

Daten speichern und Erinnerung

Daten speichern kann schlimm oder sogar kriminell sein, wenn die Privatsphäre von Menschen verletzt wird, wie es die letzten Monate ans Licht gekommen ist. Aber in anderen Zusammenhängen ist Daten speichern was ganz Wertvolles. Wie bei meinem ersten Radiorecorder. Den Markennamen gibt’s heute schon gar nicht mehr. Wie auch immer, ich war stolz. So speicherte ich fleißig und mit viel Aufwand auf einer Kassette Lieder aus der Hitparade. Oder Comedy aus dem Radio. Ich drückte gemeinsam den roten und schwarzen Drücker und dann drehten sich die kleinen Zahnräder der Kassette.

Diese Kassetten waren hellgrau und es war der totale Horror, wenn es irgendwann einmal Bandsalat gab. Dieses aufjaulende Geräusch ist mir noch gegenwärtig, wenn die aufgenommene Musik zuerst schneller und höher wurde und ich dann den verknuddelten Bandsalat auf mich zukommen hörte. Vorsichtig schraubte ich die Kassette mit einem Minischrauber auf wie bei einer Operation am offenen Herzen und versuchte, die wertvollen Radioaufnahmen zu retten. Lange her. Gespeichert war gespeichert und damit kostbar, wertvoll. Was ich hatte, war mein Schatz.

Die Frage ist, was bleibt von dem damals Gespeicherten. Was ich so mühevoll aufnahm. Ehrlich gesagt: technisch und real nichts, gar nichts. Schon jahrelang habe ich keinen Kassettenrecorder. Nicht mal eine einzige Erinnerungskassette, für deren Überleben ich früher bestimmt gekämpft hätte. Was bleibt, ist die Erinnerung an dieses jugendliche Speichern. Und: Was ich speicherte, ist doch nicht ganz weg. Es ist in mir als Teil meiner Lebensgeschichte. Teil meines Lebensgefühls am Ende der 60er. Gespeichert ist es in meinem Kopf, in meinen Erinnerungen. Nichts real Greifbares, nun Vorzeigbares ist an dieser Stelle geblieben. 

Aber gespeichert, zum Weitererzählen, zum Drüber-Schmunzeln ist es bei mir drinnen. Nicht umsonst ist  „Erinnern“ ein ganz wichtiges Wort in der Bibel.  Immer wieder steht da: Die Erinnerung schafft Geschichte. Ohne sie gibt es kein Gewissen und keine Verantwortung, kein gemeinsames Lachen mit alten Freunden, keine Hoffnung, die ich aus früheren Erfahrungen schöpfen kann. Daten können dazu können allenfalls eine Hilfe sein. Sie ersetzen das Erinnern aber nicht. Mein inneres Speichern ist wertvoll. Und nicht angreifbar durch irgendwelche modernen Abhörmethoden.