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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Das eigene Reihenhäuschen

Das eigene Reihenhäuschen

In vielen traditionell christlichen Familien ist der Jahreswechsel auch so eine Art  Mottowechsel. Denn im kirchlichen Leben wird einem Kalenderjahr immer auch eine Jahreslosung verpasst, ein Satz aus der Bibel, der einen nun zwölf Monate begleiten soll. Klingt harmlos, ist aber nicht immer einfach.

Zum Beispiel 2013. Die neue biblische Jahreslosung, die ab morgen gilt, heißt: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“   Das riecht zunächst mal ein bisschen nach Jenseitsvertröstung. Diese Welt, diese Städte, dieses Leben  – darin werden allenfalls Durchgangsstationen auf dem Weg ins ewige Leben gesehen. Erst nach dem Tod werden wir den Platz finden, wo wir auf Dauer bleiben und sesshaft werden können: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebräer 13,14) Dieses Denken hat in vielen Jahrhunderten dazu geführt, das Leben auf der Erde bloß zu ertragen. Und abzuwerten: Warum sollte man sich für bessere Verhältnisse abkämpfen, wenn es ja doch nicht von Dauer war?

Wer den Satz so versteht, hat ihn falsch verstanden, denke ich. Richtig ist schon, dass wir unsere Städte, die Häuser und Straßen nicht für die Ewigkeit bauen. Richtig ist aber auch, dass die Menschen für das, wie und wo sie ihr Leben verbringen, verantwortlich sind und dafür eine ganze Menge tun können. Immerhin gibt es ja auch die Aufforderung, ebenfalls in der Bibel: „Suchet der Stadt Bestes!“ (Jeremia 29,7). Der Profet Jeremia, der das gesagt hat, wusste ja schließlich auch, dass wir hier „keine bleibende Stadt“ haben. Und trotzdem: es gilt alles zu tun, was in unserer Kraft steht, damit wir hier auf der Erde ein Zuhause haben. Und nicht nur wir. Die Sehnsucht, irgendwo zu Hause zu sein, tragen wohl alle Menschen in sich: nicht nur die Häuslebauer und die gut versorgten Menschen hierzulande. Sondern genauso die Wohnsitzlosen und die Millionen Flüchtlinge auf der ganzen Welt. Dass wir „hier keine bleibende Stadt“ haben, wissen sie wohl viel besser als alle anderen.

Nicht die Sehnsucht danach, irgendwo zu Hause zu sein, ist schlecht. Aber das eigene Reihenhäuschen für die endgültige Adresse zu halten – das wäre ein Fehler. Und würde uns die Vorfreude auf einen Platz im Himmel nehmen. Die Jahreslosung 2013 bringt’s schön auf den Punkt: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“