hr1 ZUSPRUCH
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Wildfang, Christoph

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Aufbruch ins Dorf

Aufbruch ins Dorf

Bei der Abiturfeier reden alle darüber, wer wo hingeht. Der Eine geht nach Göttingen an die Uni: Medizin. Ein Anderer macht mit einem Kumpel erst mal eine lange Reise: bis nach Australien, drei Monate. Zwei machen „Bufdi“, den neuen Freiwilligendienst. Weil sie noch nicht genau wissen, was sie eigentlich wollen. Alle reden lustig durcheinander. Bis einer sagt: „Mir gefällt’s bei mir im Dorf. Ich bleibe einfach da und lebe.“ Die anderen lachen erst mal. Ey, das gibt´s doch nicht. Alle gehen, du bleibst einfach da? Bleibst da hocken? Im Kaff?

Der da einfach bleibt, fängt an zu erzählen. Dass das für ihn auch eine Art Aufbruch ist. Dass er sich freiwillig fürs Dorfleben entscheidet. Nicht, weil er Angst vor was Neuem hat. Sondern, weil er für sich selbst rausgefunden hat, dass es ihm da gefällt, wo er lebt. Alle Leute kennen sich. Grüßen sich. Helfen sich, wenn Not am Mann ist. Leiden mit, wenn´s einem schlecht geht. Die Landschaft mit den Buchen und Fichten ist wunderschön. Er liebt das Beobachten der Vögel. Die Stille. Bei uns in Arnoldshain im Taunus.

Er sagt: „Ich möchte gerne, dass unser Ort wieder lebendiger wird. Ich könnte mir vorstellen, einen kleinen Tante Emma – Laden aufzumachen. Wo Leute bewusst Zeit füreinander haben. Einkaufen mit babbeln. Ich stelle sogar ein paar Stühle rein, dass die Kunden lange dableiben, wenn sie Lust haben. Vielleicht ist das kein Shopping-Event, sondern einfach Einkaufen bei Leuten, die gerne erzählen. Sich austauschen. Die nicht mit einer Shopping-App einkaufen, sondern mit guter Laune. Nicht mit einer Stoppuhr im Gehirn, sondern die sich absichtlich und freiwillig umschauen, wie´s dem anderen geht. Der Oma oder der alleinerziehenden Mama von nebenan was mitbringen. Weil die es nicht selbst schleppen kann.

Ich stelle mir vor, auch die Jungen kaufen bei mir ein. Die wissen schon, dass es woanders billiger ist. Aber die kommen auch, um sich mitzuteilen. Nicht nur bei Facebook oder per Twitter. Die keine Selbstinszenierung aus ihrem Leben machen müssen, keine Show, sondern sich auch mal trauen struwwelig oder mit verheulten Augen zu mir zu kommen. Ich möchte mich nicht nur selbst entwickeln, sondern auch mein Dorf updaten. Nicht ins Früher zurückwurschteln. Ein paar neue Ideen habe ich auch schon. Ich probiers einfach aus: Aufbruch ins Dorf.“