An sich selbst glauben
„Was würdet Ihr morgens um viertel vor sechs gerne im Radio hören“, habe ich eine Gruppe junger Studenten gefragt. Ihr unübersehbares Fragezeichen in den Augen bezog sich auf die Uhrzeit: „Viertel vor sechs?“, wer hört denn da schon einen Zuspruch im Radio. Aber sie haben sich doch auf meine Frage eingelassen, und ihre Antwort hat mich überrascht: „Sag doch mal was dazu, dass die Leute mehr an sich glauben sollten“. Das sagen Studenten, die den Weg ins Studium doch immerhin geschafft haben und die wegen ihres Studiums doch eher einen guten Start ins Berufsleben haben. „Mehr an sich glauben zu können“ erkennen sie als eines ihrer Hauptprobleme und würden sich eine Ermunterung dazu erhoffen – morgens um viertel vor sechs im Radio.
Nun ist es ja eher meine Aufgabe, Menschen zum Glauben an Gott zu ermuntern. Kann das eine mit dem anderen was zu tun haben?
An mich glauben. Selbstvertrauen. Selbstwertgefühl. Woher bekommen wir es? Als Neugeborene haben wir es nicht, denn wir kennen das Selbst noch nicht. Wir können es uns auch nicht erarbeiten. Wir bekommen alles geschenkt: die Nahrung, die Reinigung, den Schutz und wenn alles gut ist: die Liebe der Eltern.
Und später: „Das hast Du toll gemacht“ lässt den kleinen Oskar stolz wie eben Oskar sein. „Du schaffst das“ hat schon so manchen Angsthasen zum Helden werden lassen. Wenn es gut geht, haben wir im Erwachsenenalter dann so etwas wie Selbstwertgefühl. Aber es geht nicht immer gut: Ich kenne Menschen, die leisten unendlich viel und fühlen sich dennoch wertlos. Und ich kenne Menschen, die leisten wenig, fühlen sich aber als die Größten. Beides belastet und kann in Krankheit enden.
An Gott zu glauben, kann vor dem einen, wie vor dem anderen bewahren. Denn im Glauben erkenne ich mich als Geschöpf, und nicht als den Schöpfer. Und ich spüre, dass ich geliebt bin, auch wenn mir nicht immer alles gelingt. An Gott und an sich selbst glauben ist kein Widerspruch. Im Gegenteil: Glaube hilft zu einem gesunden Selbstwertgefühl.