"Aber ich liebe dich doch!"
Irgendetwas in ihrer Beziehung hatte sich verändert. Er arbeitete viel und kam abends spät heim, hatte manchmal auch dann noch Termine oder zog sich an seinen Schreibtisch zurück. Und morgens beim Frühstück vertiefte er sich in die Zeitung. Wenn sie ihn darauf ansprach, wiegelte er ab. "Ich habe nun mal viel zu tun", sagte er. Und: "Wenn man nicht abgehängt werden will, muss man da mit, da gibt es kein Erbarmen. Vierzigstunden-Woche, das ist Geschichte."
Aber sie wollte sich nicht damit abfinden, dass es jetzt immer so weiter geht. In ihr reifte langsam der Entschluss, ihre Koffer zu packen und sich eine eigene Wohnung zu suchen. Um erst einmal Abstand zu gewinnen. Und dann - ohne die ständige Anspannung - in Ruhe darüber nachzudenken, wie es mit ihnen weitergehen könnte.
Am Morgen geht sie auf ihn zu. Hält ihn fest. Und sagt: "So gehts nicht weiter. Ich ziehe aus. Für die ersten Tage gehe ich zu meiner Freundin, bis ich was Eigenes gefunden habe." Er fällt aus allen Wolken. Schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Läuft wie in Panik hin und her. Tränen in den Augen. Und bleibt dann vor ihr stehen: "Aber ich liebe dich doch." Sie stellt ihre Tasche ab. Fasst ihn an den Händen, schaut ihn an: "Warum hast Du mir das nie, nie gesagt?" Und er: "Ich dachte, du wüsstest das."
Oft höre ich den abwertenden Satz: Worte sind Schall und Rauch. Oder: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Aber Worte können so wichtig sein. Können das ganze Leben verändern, wenn sie nur gesprochen werden. Gerade Worte der Liebe. Nicht dass es mit Worten alleine getan wäre. Wer von Liebe spricht und sich lieblos verhält, wird auf die Dauer unglaubwürdig. Aber wer sie selbstverständlich voraus setzt, oder wem es peinlich ist, darüber zu sprechen, der oder die muss aufpassen, die Liebe nicht zu verlieren.
Heute, am Valentinstag, werden Herzen verschenkt. Und Blumen. Hoffentlich auch Liebeserklärungen. Gerade dann, wenn die Liebe etwas Normales zu werden droht, oder wenn sich der Reiz des neuen Glücks etwas verflüchtigt hat, sind Worte wichtig. Denn die Liebe ist ein kostbarer Schatz. Sie ist eine Himmelsmacht. Da können wir uns glücklich schätzen, wenn wir sie empfinden. Und sie uns gegenseitig eingestehen.