80 Jahre nach dem Reichstagsbrand
Heute vor 80 Jahren hat der Berliner Reichstag gebrannt. Die Flammen haben den Mittelteil des Gebäudes zerstört, das zu einem Symbol der Demokratie geworden war. Seit vier Wochen war Adolf Hitler Reichskanzler. Wahlen standen an. „Das ist der kommunistische Aufstand“, hatte Herrmann Göring angesichts des Feuers gerufen und die Schuld dafür seinen politischen Gegnern zugeschoben. Wenig später wird der völlig verwirrte Maurergeselle Marius van der Lubbe verhaftet und nach einem Geständnis hingerichtet. Bis heute ist unklar, ob nicht die SA selbst den Brand gelegt hatte.
Schnell wurde eine „Notverordnung“ erlassen, zum „Schutz von Volk und Staat“, wie es hieß. Sie schränkte das Versammlungsrecht ein, zensierte die Presse und erklärte Beschlagnahmungen für rechtens. Entscheidende Schritte auf dem Weg zur Nazi-Diktatur. Was damals fehlte: Genug Menschen, die noch auf eine faire politische Streitkultur setzten. Zu viele waren nicht mehr daran interessiert. Sie glaubten, dass nur ein Weg, noch schlimmer, ein Führer zu mehr Ordnung führen könnte, die sie vermissten. Heute, achtzig Jahre danach, überwölbt Norman Fosters gläserne, begehbare Kuppel den Berliner Reichstag. Ich bin dort hinaufgegangen und hab dabei an die faire Streitkultur gedacht. Die hätten die Leute damals gebraucht. Für mich ist der faire politische Streit auch die Frucht einer Haltung, die die Bibel als Kraft, Liebe und Besonnenheit beschreibt.
Noch bevor ich die Kuppel hochging, war klar: Es gibt nicht nur einen Weg. Zur Kuppel hinauf führen zwei gegenläufige Rampen. Langsam und bedacht, die anderen im Blick, kann ich eine davon zur Aussichtsplattform hinaufsteigen. Die anders herum unterwegs sind, hab‘ ich immer vor Augen. In den Spiegeln an der Mittelsäule sehe ich sie und mich selbst auch. Was geschieht, ist für alle transparent.
Im Streit möchte ich versuchen, die Welt auch einmal mit den Augen der anderen zu sehen und es für möglich halten, dass ihr Weg auch zum Ziel führen kann. Wo das geschieht, können Menschen fruchtbar und respektvoll streiten, in Kraft, Liebe und Besonnenheit. Dann ist die Gefahr klein, dass wir diesen Teil der Geschichte wiederholen.