hr1 ZUSPRUCH
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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

65 Jahre Augsburger Puppenkiste

65 Jahre Augsburger Puppenkiste

Am 26. Februar 1944 war die Augsburger Innenstadt ein Trümmerhaufen. Bei Luftangriffen der Alliierten hatten über hunderte Menschen das Leben verloren und Tausende ihr Zuhause. Im Augsburger Stadttheater war damals auch eine Kiste voller Marionetten verbrannt. Der Schauspieler Walter Oemichen hatte dort - mitten im Krieg - eine Vorstellung für die Schauspieler und ihre Kinder gegeben und die Kiste dort stehen gelassen. Aber das war nicht das Ende des Puppenspiels in Augsburg. Nach dem Krieg hat Walter Oemichen im Heilig-Geist-Spital einen Saal gefunden, in dem er seinen Traum vom Puppentheater verwirklichen konnte. Er ist bis heute die Heimat der Augsburger Puppenkiste.

Heute vor 65 Jahren hat sie ihr erstes Stück gespielt: "Der gestiefelte Kater.“ "Urmel aus dem Eis". Der „Kleine König Kalle Wirsch“ und „Jim Knopf“ haben seitdem viele begeistert, Kleine und Große. Das Publikum lacht und bangt. Die Lieder von der „Blechbüchsenarmee“ und der „Insel mit zwei Bergen“ können viele mitsingen. Das Faszinierende ist: Das Puppentheater stellt die Welt der Menschen in Frage: Manche Figuren haben Sprachfehler und verstehen sich trotzdem. Großes wird klein und Kleines groß wie bei Herrn Tur Tur, dem Scheinriesen. Walter Oehmichen sagt: „Meist beginnt die Arbeit mit dem Kopf“. Mit dem Kopf der Marionetten, aber auch in den Köpfen des Publikums.

Die Puppen bewegen sich recht ungelenk, ihr Gesicht aus Lindenholz kann nicht lachen oder weinen, meist klappert es nur mit Augen und Mund, aber die Phantasie der Zuschauer macht es lebendig. Die Fäden, an denen die Marionetten hängen, sind kaum zu sehen, aber an ihrem Ende ahnt man Menschen, die sich den Rücken krumm biegen für eine faszinierende Mutmachgeschichte. Gerade weil die Puppen nicht perfekt sind fällt es den Zuschauern leicht, sich in die Geschichten hineinzudenken, mitzufühlen und was fehlt, selbst zu ergänzen.

„Nicht mehr zeitgemäß“, haben Fernsehmacher vor drei Jahren gesagt. Sie wollten die Puppenkiste zur Mottenkiste machen.Aber die ist lebendiger, als gedacht: Die hr-Big Band spielt kommendes Wochenende ihre schönster Lieder und auch im Fernsehen öffnet sie wieder ihre Deckel: Zu Pfingsten gibt’s im HR zwei Stunden Puppenkiste am Stück. Ich bin mir sicher, dass auch dann wieder so manches mit dem Kopf beginnt, bei Kleinen und Großen.