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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

100 Jahre Lambarene – Wichtig sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen

100 Jahre Lambarene – Wichtig sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen

Man kann das wohl den Beginn einer leidenschaftlichen Liebe nennen: Vor hundert Jahren ist Albert Schweitzer nach Westafrika aufgebrochen. Zusammen mit seiner Frau Helene hat er sich 1913  auf den Weg nach Gabun gemacht, um dort Kranke  medizinisch zu versorgen. Sie hatte im Frankfurter Bürgerhospital eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert, er hatte gerade seine Approbation als Arzt erhalten. Eine leidenschaftliche Liebe scheint mir das zu sein: über viele Jahrzehnte bis zum Ende ihres Lebens sind die Schweitzers ihren damals begonnenen Weg immer weiter gegangen. Gegen alle Widerstände, gegen gut gemeinten Rat der Freunde, gegen alle Niederlagen. Von was wurden sie geleitet, angetrieben?

Wenn ich denke, dass sie bereits ein Jahr nach ihrer Ankunft in Afrika von der Französischen Kolonialmacht unter Hausarrest gestellt wurden (der Erste Weltkrieg hatte begonnen und Albert Schweitzer galt als Deutscher, dem nun jede weitere Tätigkeit in der französischen Kolonie untersagt wurde); Wenn ich denke, wie beide krank und hoch verschuldet fünf Jahre nach dem ersten Aufbruch wieder zu Hause im Elsass gelandet sind, im Grunde auf der ganzen Linie gescheitert; Wenn ich denke, wie oft das Geld in Lambarene gefehlt hat, weil die Patientinnen und Patienten ihre Behandlung nicht bezahlen konnten; Wenn ich mir das alles vor Augen halte – was hat sie immer weiter machen lassen, immer wieder aufstehen, aufbrechen lassen?

Ich glaube, wer so intensiv seinem Weg treu bleibt, den trägt eine Liebe. Die Liebe zu den Menschen, denen ich helfen muss. Aber dann gibt es auch eine Liebe zu einem Projekt, zu einer Idee, die es zu verwirklichen gilt. Diese Liebe kann ganz leidenschaftlich sein und mich derart erfassen, dass mich nicht einmal ein Weltkrieg irritieren kann. Das Urwaldhospital in Lambarene war die große Liebe Albert Schweitzers und seiner Frau. Sie haben an dieser Liebe festgehalten, auch als Helene aus gesundheitlichen Gründen sich nicht mehr alle Reisen nach dort zumuten konnte.

Schweitzer selbst hat sich dagegen gewehrt, als moralisches Vorbild zu gelten. Aber natürlich ist er ein Vorbild gewesen und er ist es auch heute noch. Man muss ja nicht gleich nach Afrika aufbrechen, zu den Menschen, die dort Hilfe brauchen. Aber dass es um die Liebe geht, von der ich mich ergreifen lasse und die mein Leben erfüllt, darin ist Albert Schweitzer nach wie vor ein Vorbild. Er selbst hat das so formuliert: „Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“