Zwei Welten auf einer Erde
Ich bin für gerechte Verhältnisse. Darum finde ich gut, dass es diese Bonuszahlung für neue Landärzte gibt. Eine „Lockprämie“ von bis zu 50.000 Euro winken dem, der seine Praxis jetzt auf dem flachen Land einrichtet und nicht in der Stadt. Denn da gibt’s ohnehin schon genug Ärztinnen und Ärzte. Das Land Hessen will, so wurde es Mitte August beschlossen, in den nächsten drei Jahren 1,8 Millionen Euro auszahlen, um Ärzte aufs Land zu locken. Gute Idee.
Für die Versorgung von 10.000 Einwohnern stehen etwa 36 Ärztinnen und Ärzte bereit, das ist bundesdeutscher Schnitt. Sie sind eben nur ein bisschen schlecht übers Land verteilt. Also: die 1,8 Millionen als Starthilfe für neue Landärzte sind schon ganz gut investiert, denke ich. Denn es soll doch den Menschen im Westerwald oder in der Hessischen Rhön nicht schlechter gehen, als denen in Kassel, Gießen oder Frankfurt.
Als ich die Zahlen über die medizinische Versorgung bei uns gelesen habe, also: 36 Ärzte für 10.000 Menschen, ist mir unwillkürlich ein anderes Zahlenverhältnis durch den Kopf gegangen: im afrikanischen Gambia oder Niger, nicht anders in Tansania, Togo, Kenia und so weiter - da gibt es für 10.000 Menschen nicht nur keine 36 Ärzte, es gibt nicht einmal einen einzigen. Das Zahlenverhältnis liegt bei weniger als einem halben Arzt auf 10.000 Einwohner. Die schlechte medizinische Versorgung in vielen Ländern Afrikas ist schlicht ein Skandal. Dass jedes siebte neugeborene Kind in Afrika das fünfte Lebensjahr nicht erreicht, auch das ist ein Skandal. Die Lebenserwartung in vielen afrikanischen Ländern liegt bei 35 Jahren, bei uns dagegen bei etwa 80 Jahren. Wir alle leben auf dieser einen Erde – aber offensichtlich in zwei völlig unterschiedlichen Welten!
Die Sorge für faire Verhältnisse darf nicht an den Grenzen Deutschlands oder gar Hessens Halt machen. Man müsste eine „Lockprämie“ für mehr Ärzte in Afrika ausschreiben. Was sind schon 50.000 oder auch Millionen Euro, wenn dadurch Kinder nicht mehr sterben, bevor sie fünf sind! Woher dieses Geld kommen könnte? Die deutschen Krankenkassen haben allein im letzten Jahr Überschüsse von über vier Milliarden Euro eingefahren...
Wie gesagt: Ich bin für gerechte Verhältnisse. Und außer für Gerechtigkeit will ich mich dafür stark machen, dass wir barmherzig miteinander umgehen. Sich um kranke Menschen zu kümmern, gehört schließlich zu den ganz alten christlichen Pflichten (z.B. Matth. 25,36)