hr1 ZUSPRUCH
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Wildfang, Christoph

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Zu arm

Zu arm

Manchmal sind Menschen einfach zu arm. Freunde von mir zum Beispiel. Die hatte ich im Sommer für 4 Wochen in meine Kirchengemeinde eingeladen. Aus Indien sollten sie kommen. Doch: zu arm. Unser Land hat sie nicht auf einen Besuch reingelassen. Der Eine arbeitet seit 12 Jahren in einem Institut für interreligiösen Dialog, verheiratet, 4 Kinder: aber zu arm eben.

Der Andere ist ein Hindupriester, feiert täglich seine Meditationen: aber zu arm eben. Ich hatte schon die Rückflüge gebucht, sogar Kranken- und Haftpflichtversicherung für sie. Alles gut geplant: Dann das Urteil der deutschen Behörde in Indien: die sind nicht genug verwurzelt in ihrem Land und ihre Rückkehrbereitschaft ist fraglich. Weil sie eben zu arm sind. Wenn sie eigenen Grundbesitz, mehr Geld oder Einkommen nachweisen könnten, wenn sie schon mal durch Europa gereist wären, dann wäre es vielleicht gegangen, aber so nicht. „Zu arm“ ist der Stempel, den sie unsichtbar bekommen.

Der Eine verdient 70 € im Monat, der andere 50. Der Eine lebt zu siebt in 2 Zimmern in einem kleinen Haus, der Andere im Tempel. Sie kommen eben in ihrem Land über die Runden, sind glücklich und zufrieden. „Mangelnde Rückkehrbereitschaft“ ist so ein allgemeines Totschlag-Argument. Beim besten Willen trotz Rückflugtickets anscheinend nicht zu entkräften. Das kann man also immer sagen, wenn man Menschen abweist. Die Ablehnung meiner indischen Freunde in diesem Sommer ärgert mich. Wären sie für unser Land „brauchbar“, also indische Programmierer zum Beispiel oder Geschäftsleute, wären sie wohl willkommen.

Oder eben, wenn sie einfach reich wären. Ich denke darüber nach, was es heißt, arm zu sein. Meine indischen Freunde sind wohl arm an Geld und Besitztümern. Von uns aus gesehen sicher.  Es mag auch sein, dass sie unserem Land materiell nichts „nutzen“. Aber was ist das für eine Sichtweise auf Menschen? Ist Materielles alles, was zählt? Wie viel ist ein Mensch denn wert – in den Augen des Staatsapparates? Wer zählt denn hier – und was ist zählbar an einem Menschen? Ich möchte mir gastfreundlich und frei eine andere Sichtweise auf Menschen offen halten. Denn Gott legt sein Maßband nicht um unsere Aktienpakete, nicht um die Quadratmeter unseres Grundbesitzes, sondern um unser Herz.