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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Wenn niemand mehr an Gott glaubte

Wenn niemand mehr an Gott glaubte

Religionsunterricht im Abiturjahrgang. Wir tragen Ergebnisse aus Arbeitsgruppen zusammen. Es geht um die Frage: wie kann man angemessen von Gott sprechen? „Das ist eine schwierige Angelegenheit“, sagt Katja und formuliert damit, was viele erlebt haben, als sie in Gruppen verschiedene Texte studiert haben.

„Also, Feuerbach hat gesagt, Gott, das ist nur eine Projektion der Menschen“, beginnt Tim. Seine Gruppe hat sich mit dem Religionskritiker Ludwig Feuerbach beschäftigt. Er hat geschrieben: Die Menschen projizieren nur ihre eigenen Defizite an den Himmel. Weil sie selbst ungerecht sind, nennen sie Gott gerecht. Ihr Leben ist begrenzt, also nennen sie Gott ewig. Feuerbach meinte: Die Menschen schaffen sich ihre Götter selbst und wenn sie das endlich lassen würden, dann könnten sie sich statt um die Liebe zu Gott um die Liebe zu den Menschen kümmern.

„Was wäre eigentlich, wenn kein einziger Menschen auf der ganzen Welt mehr an Gott glauben würde“, fragt Jan, „gäbe es Gott dann überhaupt noch“? Nein, sagen einige, andere überlegen noch. „Das mit dem Konstruieren stimmt schon“, beginnt Tina. „Jeder Mensch konstruiert sich seine eigene Wirklichkeit. Die Wirklichkeit gibt’s nur im Kopf“, referiert sie „und bei jedem von uns ist sie ein bisschen anders, je nach dem, was wir erlebt und erfahren haben und was wir wahrnehmen können. Wir müssen annehmen, dass es noch viel mehr gibt, als wir wahrnehmen können, auf jeden Fall auch Gott.“

Christoph sagt: „Dann gehört Gott zu dem, was jenseitig ist, irgendwie unverfügbar, aber doch da“. Seine Gruppe hat einen Text von Paulus aus dem Neuen Testament gelesen. „Jetzt können wir Gott nur sehr bruchstückhaft erkennen, wie in einem antiken Spiegel“, hat Paulus geschrieben. „Die Spiegel waren damals noch ziemlich trübe“, erklärt Christoph „und man hat darin nur sehr schemenhaft und verschwommen gesehen. Aber Paulus meint, dass wir Gott später einmal ganz erkennen können und dass von Gottes Seite her längst alles glasklar ist. Gott kennt uns schon längst.“ (1.Kor 13,12)

Wenn also wirklich kein einziger Mensch mehr an Gott glaubte, dann wäre Gott trotzdem da, nicht in der Wirklichkeit der Menschen, aber doch jenseits des Spiegels, uns in Liebe zugewandt.