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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Vertrauen ist gut

Vertrauen ist gut

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, sagt eine Redensart. Das klingt wie eine Alternative. Etwas so: Wenn ich etwas kontrollieren kann, dann tue ich das. Vertrauen brauche ich nur für den Notfall. Ich spreche ich darüber mit einem Kriminalkommissar. Er sagt: „Jugendverhalten ist deviantes Verhalten. Dass Jugendliche vom Weg abweichen und Regeln brechen, das war schon immer so. Den allermeisten hilft es, bei einer Kontrolle erwischt zu werden. Sie ziehen daraus die richtigen Schlüsse und wachsen daran. 95 % aller jugendlichen Straftäter begehen genau eine Straftat und dann keine mehr.“

Und die anderen fünf Prozent? In Gießen, erzählt der, laufen etwa 40 Männer herum, denen der Staat das Vertrauen aufgekündigt hat. Sie werden permanent kontrolliert - mit einer elektronischen Fußfessel. Für sie gilt: Kontrolle ist besser. „Zumindest bis ihre Strafe abgelaufen ist“, wende ich ein, „dann müssen sie doch auch dazugelernt haben, denn dann heißt es auch für sie: „Geh! Aber tue von jetzt an kein Unrecht mehr.“

Diesen Satz habe ich mir aus einer bekannten Geschichte der Bibel geliehen. (Joh 8, 11, BasisBibel) Jesus sagt das zu einer Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war und der Strafe noch einmal entgehen konnte: „Geh! Aber tue von jetzt an kein Unrecht mehr.“ Jesus hat sich ihr zugewendet. Er hat ihre Situation ernstgenommen und ihr zugetraut, dass sie aus ihrer Erfahrung lernt. Er schenkt ihr Zeit und neues Vertrauen.

Ja, so arbeiten auch die neuen Häusern des Jugendrechts, erzählt der Kommissar. Die Leute dort kümmern sich um Jugendliche, die straffällig geworden sind. Wer z.B. einen Motorroller frisiert hat, wird statt zu Sozialstunden zu einem Verkehrskurs verurteilt. An vier Samstagen müssen sie pünktlich kommen und sich mit ihrem Vergehen befassen: Ein Staatsanwalt und ein Polizist sprechen mit ihnen über die rechtliche Lage:  Fahren ohne Führerschein, Versicherungsbetrug. Ein Dekra-Mitarbeiter schraubt mit ihnen eine Roller auseinander und zeigt ihnen, warum zu einem stärkeren Motor auch stärkere Bremsen gehören und ein Gerichtsmediziner zeigt ihnen welche Verletzungen entstehen, wenn ein zu schneller Roller in einen Unfall verwickelt wird.

Wir sind uns einig. In der Erziehung sind Kontrolle und Vertrauen keine Alternativen. Und mit Blick auf das, was Jugendliche wirklich reifen lässt muss es heißen: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.