Übers Wasser per Gebet
Heute vor acht Wochen hatte er es geschafft. Der Akrobat Nik Wallenda hat die Niagarafälle an ihrer schönsten und gefährlichsten Stelle überquert, auf einem Drahtseil. Hunderttausend Menschen haben das live miterlebt. Die Millionen vor den Fernsehern konnten auch mithören, was der Artist vorher im Kreis seiner Familie gebetet hat: Er hat Gott um seinen Schutz und Segen gebeten. Auch in der Mitte seines Weges, da wo das Seil am niedrigsten hing, noch einmal ein Gebet: Er ist erschöpft, sagte er, "geistig und körperlich". Es ist nass, er fühlt sich schwach, seine Hände werden taub. Hat er es geschafft, weil Gott ihm geholfen hat?
Nick Wallenda hat mich an einen viel älteren, eher unfreiwilligen Akrobaten erinnert, von dem eine jüdische Geschichte erzählt. Er hieß Jiri Israel und musste vor mehr als 500 Jahren die zugefrorene Weichsel überqueren. Unter seinen Füßen begann das Eis des Flusses plötzlich zu brechen. Und so ist Jiri Israel gesprungen, von Scholle zu Scholle, von einer Eisscholle zur anderen und hat dabei gebetet, einen Psalm aus der Bibel:
„Lobet im Himmel den Herren, lobt ihn in der Höhe…- von Scholle zu Scholle - Lobt ihn, Sonne und Mond, lobt ihn alle leuchtenden Sterne…“ (aus Psalm 148)
So ist Jiri Israel aus der Strömung des eisigen Flusses glücklich ans Ufer gelangt. Hat er es geschafft, weil Gott ihm geholfen hat? Ich vermute, dass Nick Wallenda und Jiri Israel beide sagen würden, dass ihnen das Gebet geholfen hat. Aber wie? Ich glaube nicht, dass Gott Nick Wallendas Seil festgehalten hat, seine Beine getrocknet oder seine Hände vor der Taubheit bewahrt. Ich glaube nicht, dass Gott die Eisschollen stabilisiert hat, gerade als Jiri Israel draufgetreten ist.
Ihren Weg mussten beide selbst gehen. Sie haben das Risiko eingeschätzt und ihre Entscheidungen selbst getroffen. Aber ihr Gebet war für beide wie eine Vertrauensbrücke, die sich schon von Ufer zu Ufer gespannt hat, bevor sie es selbst erreichen konnten. Das Gebet hat sie mit Gott verbunden, der von Anfang an da war und versprochen hat, auch am Ende da zu sein.