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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer im Ruhestand, Biebertal

Neckermann? Nicht möglich

Neckermann? Nicht möglich

"Schluss. Aus. Das war’s. Und mit sechzig kriegst du keine Arbeit mehr." Einer der Angestellten bei Neckermann in Frankfurt spricht diese ernüchternden Sätze ins Mikrophon eines Reporters, wenige Minuten nach der kürzesten Mitarbeiterversammlung der Betriebsgeschichte. Schluss. Aus. Das war’s. Ein Frankfurter Unternehmen wird 62 Jahre nach seiner Gründung von der Bildfläche verschwinden. Und mehr als 3000 Menschen stehen wahrscheinlich bald ohne Arbeit da.

Kein Wunder, könnte man meinen. Der amerikanische Investor Sun Capital will Geld sehen und nicht drauflegen. Arbeitnehmer in Frankfurt spielen da keine Rolle. Und die Einigung zwischen Management und Gewerkschaft über einen Sanierungsplan ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Bei Josef Neckermann hätte es das nicht gegeben, könnte man meinen. Der war noch ein Unternehmer vom alten Schlag, der um die Verantwortung für seine Leute wusste.

Doch Vorsicht: Nicht nur anonyme Geldgeber von weither treffen solch rigorose Entscheidungen. Man denke nur an Schlecker oder an Herrn Görtz und seine Schuh-Filialen. Unternehmer sind keine Wohltäter und können es nicht sein. Geduld gehört nicht zu ihren hervorstechenden Eigenschaften. Was sich nicht rentiert, muss weg. Ein Gesetz der freien Marktwirtschaft, ob einem das passt oder nicht.

Da klingt es fast naiv, an das Grundgesetz zu erinnern. Artikel 14: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Ein Gesetz mit christlichen Wurzeln. Wenn in der Bibel von Wohlstand oder Reichtum die Rede ist, dann hat das immer mit Gerechtigkeit zu tun. Und mit Verantwortung für die, die wenig haben.

Deshalb sage ich: Etwas stimmt nicht, wenn eine solche Verpflichtung nur noch leicht lächelnd zur Kenntnis genommen wird, um dann wieder zum harten Tagesgeschäft überzugehen. Gewinnmaximierung kann und darf nicht alles sein. Wer nur noch Dollar- oder Euro-Zeichen in den Augen hat, wird auf Dauer die Gesellschaft spalten. Schon jetzt wird der Abstand immer größer zwischen denen, die vermögend sind, und denen, die so gut wie nichts haben. Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit, dieser Satz darf nicht zu einem frommen, aber weltfremden Wunsch verkommen.