Multitasking
„Immer schön der Reihe nach“, habe ich meinen Kindern gesagt, wenn sie Hausaufgaben in drei Fächern vor sich hatten und ihnen das wie ein hoher unüberwindbarer Berg vorkam. „Immer schön eins nach dem andern“.
Und wenn der Stress mich in den Griff zu kriegen drohte, war das auch ein probates Mittel, mich selbst zu beruhigen und die Aufgaben konzentriert zu bewältigen: Tief durchatmen und dann immer schön der Reihe nach.
Inzwischen habe ich den Eindruck: Das ist die Strategie von vorgestern. Heute geht es um Multitasking. Die Computer konnten das zuerst. Jetzt gehört es offensichtlich auch zu den Dingen, die Mann und Frau können muss, um erfolgreich zu sein: Viele Dinge gleichzeitig erledigen.
Auto zu fahren und gleichzeitig zu telefonieren, das scheint ja noch eine der leichteren Übungen zu sein. Aber auch das große Einmaleins des Multitasking ist gängige Praxis: Da laufen mindestens drei Programme auf dem Rechner, gleichzeitig wird das Handy bedient und das Telefon mit der Schulter ans Ohr geklemmt. Den Virtuosen in diesem Metier gelingt es sogar, zur gleichen Zeit die Kollegin auch noch mit einem Witz zu erfreuen.
Wo der Wettbewerb dafür sorgt, dass die Menschen immer schneller arbeiten müssen, ist Multitasking eine nahe liegende Strategie: Wer viele Dinge gleichzeitig macht, wird schneller fertig.
Aber es gibt auch Widerspruch: Im psychologischen Institut einer amerikanischen Universität ist nach vielen Versuchen nachgewiesen: Wer im Auto telefoniert, auch mit einer Freisprechanlage, hat ein vier mal höheres Risiko, einen Unfall zu verursachen.
Ein anderer Wissenschaftler vergleicht Multitasking mit dem Verhalten von Tieren, die ihr Leben in freier Wildbahn sichern müssen. Um das zu schaffen, sind sie ständig gezwungen, ihre Aufmerksamkeit nach allen Richtungen zu verteilen. Das verursacht Stress in hohem Maß. Und - auf die Menschen bezogen: Nach den Phasen hoher Anspannung stellt sich häufig eine bleierne Müdigkeit ein, wie sie bei der alten Strategie „immer schön der Reihe nach“ nicht vorkam.
Wahrscheinlich sind die alten Strategien nicht immer die schlechtesten. Diese hier ist tausende von Jahren alt und stammt aus dem Alten Testament der Bibel: „Alles hat seine Zeit und jegliches Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde.“ Also: Immer schön der Reihe nach.