Jay ho!
In Indien habe ich einen besonderen morgendlichen Gruß kennengelernt. Wenn Menschen Hindi sprechen, dann sagen sie morgens „Jay ho!“. Das ist ein Lobpreis, ein Wunsch, meistens verbunden mit einer hinduistischen Gottheit. Also, das erste Wort des Tages ist Lob Gottes. Es ist nicht so einfach zu übersetzen, vielleicht mit „Lass es wirklich wachsen.“ Oder „Möge es im Guten passieren, möge es werden, möge es gut werden!“ Dabei legt man meistens die Handflächen aneinander, schaut sein Gegenüber an und erwidert den Gruß. Ich habe es so erfahren, dass es nicht ohne so einen Gruß geht. Was ich gut finde, ist das morgendliche Lob Gottes. Und, dass sich zwei Menschen durch die Geste und den dazugehörigen Gruß einen Moment Zeit nehmen. Die Handflächen gehören eben aneinander. Man kann keine Kaffeetasse dabei in der Hand haben oder die Zeitung. Nein, ich muss mir schon diesen kleinen Moment Zeit nehmen.
Und wenn ich dann mein Gegenüber einen kurzen Moment wirklich bewusst anschaue, dann sehe ich doch, ob mir traurige Augen entgegenblicken oder fröhliche. Ich habe gelernt, den morgendlichen Gruß bewusst zu tun. Es muss nicht in Hindi sein und es können natürlich auch andere Worte sein. Aber das bewusste morgendliche Grüßen und Begrüßen ist mir wichtig geworden. Wie wäre es, wenn ich an jedem Morgen etwas Anderes sagen möchte, als nur ein dahin geworfenes „Guten Morgen!“. Es ist ja schon besser als nichts, aber sonderlich originell auch nicht. Ich möchte ausprobieren, was ich noch sagen kann. Vielleicht einen Wunsch. Ein Lob am frühen Morgen. Wichtig sind der Blickkontakt und die Zeit, die ich mir für den Gruß nehme. Am meisten gefällt mir an der indischen Tradition, dass am Tagesbeginn ein Lob Gottes steht. Nicht ein Fluch über das Wetter oder schlechte Nachrichten aus den Medien, nicht das gehetzte Wort bei zu knapp bemessener Zeit. Ich möchte morgens Gott erst einmal danken. Dass ich diesen Tag erleben darf. Dass ich gesund bin, ein Dach über dem Kopf habe und Arbeit. Nichts ist selbstverständlich.
Und wenn ich morgens danke und Gott lobe, dann stellt mich dieser Dank an die Seite derer, die vielleicht nicht viel zu loben haben. Gott loben heißt, sich seiner Lebensgeschichte zu stellen und sie fröhlich aus Gottes Hand an diesem Morgen neu anzunehmen.