„ge-shawl-t werden“
In Indien wurde ich oft „geshawlt“ (sprich geschooolt). Das kommt vom englischen Wort für Schal. Das heißt, ich bekam bei Feierlichkeiten einen Ehrenschal. Das nennt man „geshawlt“ werden. Es ist eigentlich kein richtiger Schal, sondern mehr ein großes breites Schultertuch. Manchmal bekomme ich als Ehrengast einer Feier einen knallgrünen Schal mit goldenen Fäden. Oder einen knallroten Schal mit Fäden. Ich bekomme ihn umgehängt. Er wird also ausgepackt, entfaltet und man bekommt ihn umgehängt. Oft klatschen die anderen Gäste dabei und man behält ihn dann eine längere Zeit auf den Schultern. Dazu gibt es oft noch Blumenkränze. Wunderschöne kühle frische Blumenketten.
Auch die werden einem umgehängt. Die Blumenketten sind richtig schwer: Blüte an Blüte. Die Blumenketten sind ganz feucht, so feucht, dass man die angenehme Kühle auf der Haut spürt. Wenn es ganz hoch hergeht, werfen liebe Menschen dann auch noch körbeweise Blütenblätter auf den Ehrengast und schütten ihm die über den Kopf. Alle strahlen den Gast an, der bringt die Handflächen dankend aneinander und lächelt zurück. Nach einer kurzen Weile nimmt man dann den Blütenkranz ab und legt ihn vor sich. Um deutlich zu machen: ich danke für die Ehrung, aber ich bin auch nur ein ganz normaler Mensch. Ich danke, aber ich möchte nicht hochmütig erscheinen.
Den Schal behält man auf den Schultern liegen bis das Fest vorbei ist. Wenn es nicht zu heiß ist. Was für eine Wertschätzung! Das ist für mich das Stichwort. Anfangs war es mir während meiner Studienzeit in Indien fast peinlich, so geehrt zu werden. Für was eigentlich? Was mir deutlich im Herzen bleibt ist das Gefühl, geschätzt, willkommen zu sein. Ist das nicht ein wunderbares Lebensgefühl? Wert, dieses tragende Gefühl auch andere Menschen um mich herum deutlich spüren zu lassen. Es ist doch einfach nur das Spiegeln eines wunderbaren Grundgefühls: ich bin geschätzt bei Gott, getragen, gehalten, gemocht.
Und ich werde versuchen, dieses stützende, erhaltende Grundgefühl durch mein Leben hindurch zu spiegeln: du bist was wert. Nämlich unendlich viel. Mit und ohne Blumen. Gut, das mal zu sagen oder durch eine schöne Aktion zu zeigen. Vielleicht einfach mal probieren.