Gastfreundschaft teilen
Ich war eine Zeitlang beruflich in Indien. Manchmal fragen Leute, was da so besonders ist. „Die unglaubliche Gastfreundschaft“ fällt mir dann ein, Gastfreundschaft von Menschen, die eigentlich gar nichts übrig haben. Menschen, die ganz wenig haben, die teilen von Herzen. Die haben keinen Tisch, keinen einzigen Stuhl für den Gast, keinen Kühlschrank, kein Bett – aber sie teilen. Ich war bei einigen Familien zum Essen eingeladen, die ich beruflich von einem interreligiösen Institut her kennengelernt hatte. Man sitzt einfach auf dem Fußboden. Das Essen wird auf einer Art Läufer ausgebreitet, der den Tisch darstellt. Gegessen wird mit den Fingern der rechten Hand. Irgendwie manscht man alles zusammen und tut es mit drei Fingern in den Mund. So werden auch die Kinder bedient. Die Größeren essen so von alleine, die Kleineren kriegens in den Mund gestopft, wenn sie grad mal vorbeikrabbeln. Es gibt für mich etwas Besonderes. Das ist unter einem umgedrehten Teller verborgen. Stolz lüftets der Hausherr: drei kleine Kartoffeln. Alle strahlen mich an. Toll, sage ich auf hindi und alle freuen sich. Sie schauen mir zu, wie ich die Kartoffeln esse und ich nicke anerkennend. Ich habe ein ungutes Gefühl, dass sie die extra für mich besorgt haben. Die Krönung ist eine Dose Diet Coke für mich, während alle Wasser trinken. Bei jedem Schluck aus meiner Dose gucken mir besonders die Kinder zu. Das Leitungswasser solle ich nicht unbedingt trinken, hat der Gastgeber mir vorher gesagt. Von daher die Cola. Ich bin beeindruckt von der Gastfreundschaft, die ich bei wirklich armen Familien in Indien erlebt habe. Beeindruckt und beschämt ein wenig. Sie haben gar keinen Pass und können real wohl nie zu einem Gegenbesuch kommen. Aber, auch wenn sie kämen, könnte ich auch so eine überwältigende Gastfreundschaft zurück schenken? Immer wieder kommen noch mehr Menschen aus der Nachbarschaft dazu, essen ein wenig mit. Es wird einfach noch weiter geteilt. Sie quetschen sich dazu in den kleinen Raum, in dem sie nachher zu siebt auf Matten schlafen werden. Alle strahlen mich an und freuen sich, dass es dem Fremden schmeckt. Der sich gar nicht mehr so fremd fühlt, als die Wasserschale am Ende des Mahles herumgeht zum Händewaschen. Nach meinem Gebet hatten sie am Anfang des Essens gefragt, nachdem wir zuerst einen hinduistischen Wasserritus gefeiert hatten. Dass wir gemeinsam in aller Verschiedenheit beten, verbindet uns. Das Danken steht an erster Stelle. Für mich steht das Danken auch am Ende des Abends. Gemeinschaft teilen, Zeit teilen, teilen, was man eben hat, auch wenn´s wenig ist, dass ist das Geheimnis der Gastfreundschaft.