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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Einen Anspruch auf Recht haben auch die, die gegen die Rechtsordnung verstoßen haben

Einen Anspruch auf Recht haben auch die, die gegen die Rechtsordnung verstoßen haben

Recht und Gerechtigkeit – das sind Themen der Bibel. Kein Wunder. Schließlich werden in Gerechtigkeit und Recht Eigenschaften Gottes gesehen. Die Geschichte von Magnus Gäfgen stellt manche vor die Frage, ob jemand „das Recht“ für sich auch verspielen kann. Weil er es selbst missachtet hat, weil er ein so großes Unrecht getan hat, dass er keinen Anspruch mehr darauf hat, selbst gerecht behandelt zu werden.

Es gibt wohl nur wenige Menschen hierzulande, die so verachtet und von so vielen gehasst werden, wie dieser verurteilte Mörder eines elfjährigen Kindes. Genau zehn Jahre liegt das Verbrechen zurück. Aber die furchtbare Tat wird nicht vergessen. Auch der Täter selbst trägt dazu bei, dass die Erinnerung an seine Tat, an die Ermordung des Jakob von Metzler wach bleibt. Gäfgen hat Polizei und Land verklagt, weil er mit der Androhung von Gewalt zu einem Geständnis gebracht worden war. Für diese Folterdrohung wollte Gäfgen Schmerzensgeld, zumindest eine Entschädigung.

Abscheu und Entsetzen – das waren die Gefühle angesichts des Verbrechens vor zehn Jahren. Unverständnis und Empörung bestimmen die Gespräche in dieser Woche: Darf der Mörder eines Kindes den Staat wegen Verletzung seiner Menschenwürde verklagen? Hat der Mörder eines Kindes moralisch nicht überhaupt jedes Recht verspielt, von dieser Gemeinschaft fair behandelt zu werden? Was viele andere auch denken, hat der Hessische Innenminister Boris Rhein so gesagt: „…für mich persönlich ist es schwer erträglich, wenn einem verurteilten Kindsmörder eine Entschädigung zugesprochen wird.”

Auch für mich ist das schwierig. Aber zugleich weiß ich: so wie Gott die Sonne über Böse wie Gute aufgehen lässt, und es über Gerechte wie Ungerechte regnen lässt, so haben alle einen Anspruch auf gerechte Behandlung. Sogar die, die eben gegen die Rechtsordnung verstoßen haben, auf die sie sich berufen. Das ist ja gerade der Sinn einer Rechtsordnung, dass sie für alle gilt, ohne Ansehen der Person. Jemandem Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – das geht nicht aus dem Bauch heraus.

Magnus Gäfgen hat sich mit seinem hartnäckigen Erstreiten der Entschädigung selbst keinen Gefallen getan. Sein Ansehen ist, wenn das überhaupt noch möglich war, noch schlechter geworden. Aber er hat damit – ohne es zu wollen – vielen Menschen hierzulande deutlich gemacht, dass Gerechtigkeit und Recht etwas anderes ist, als seinen Gefühlen nachzugeben. Und das sollte uns die 3.000 Euro wert sein.