Du wirst gefunden!
„Ich bin Atheist! Muss ich das jetzt auch lernen?“ fragt mich ein Schüler im Religionsunterricht. Die Stunde fängt grad an. Ich habe noch kein Wort gesagt. Zuerst bin ich ganz verblüfft. Er schaut mich keck und prüfend an. Es ist natürlich schon provokant. Klar, es ist dieses Alter. Da probiert jemand seine Grenze im Unterricht aus. Mit dem Lehrer. Er weiß ja, dass ich Pfarrer bin. Ich stehe ein für meinen Glauben.
Die anderen Schüler warten mit neugierigen Blicken mit einiger Spannung ab, was ich wohl nun sage. „Dies ist ein freies Land,“ fange ich an. „Du musst hier nichts machen, was du nicht mittragen und mitdenken kannst.“ Und dann: Schweigen. In der Klasse. Zuerst auch bei mir. Ich gehe hin und her: Was soll ich ihm sagen? Ich bin schon überrascht über seine Aussage. Klar, er wird hier natürlich zu nichts gezwungen. Ich möchte ihm aber eines schon gerne deutlich machen: dass ich traurig bin, dass er sich als Atheist bezeichnet.
Ich selbst möchte echt keinen Tag so leben. Ich hoffe, dass sich der Schüler – trotzdem – neugierig und offen auf eine Suche machen wird. Vielleicht auch hier im Unterricht. Ich würde ihm gerne vermitteln, dass er auf jeden Fall offen sein sollte. Es mag in jedem Leben Momente geben, wo Menschen an Gott zweifeln. Ich habe auch schon einige Menschen kennengelernt, denen ihr Glaube abhandengekommen ist. Oft hatten sie zuvor etwas Schlimmes erlebt. Und dann haben sie an Gott gezweifelt und manchmal auch fast verzweifelt. Nicht immer konnte ich ihnen dann in diesen dunklen Momenten erfahrbar machen, dass Gott trotzdem da ist. Dass wir auch unsere Klage, unsere Zweifel, unsere Wut vor Gott bringen können.
Gott braucht kein frommes Schauspiel. Es tut gut, einfach seine Gefühle in den Himmel werfen zu können. Neugierig schauen mich die Schüler an und ich sage: „Du musst dich nicht verstellen oder verbiegen. Ich wünsche dir einfach, dass du für Gott offen bist, offen wirst. Auch mit deinen Zweifeln. Auch mit deinen Fragen. Und ich wünsche dir, dass Gott dich findet. Eines Tages. Vielleicht grad dann, wenn du es nicht erwartest. Und weißt du was, ich werde für dich beten.“ Ich schlage das Lehrbuch auf, sortiere meine Gedanken kurz für die Unterrichtseinheit und schaue in die Runde. Es ist still. Keiner grinst und es gibt keinen coolen Spruch. Auch der junge Atheist schaut mich ernsthaft an. „Wer liest auf Seite 224 weiter“, sage ich und weiter geht’s. Fragt sich wohin.