Demenz
Hellgrün leuchtet mir der Umschlag entgegen. Ein wunderschönes, lichtes Frühlingsgrün umschließt ein Buch, das vom Vergessen erzählt. Ich sehe in eine Baumkrone, in eine Buche, durch die die Sonne scheint und die Blätter strahlen lässt. Inmitten dieses Blätterhimmels geht ein alter Mann mit gesenktem Blick. Sein Kopf ist gut zu erkennen mit dem typisch weißen Haarkranz und der hohen Stirn. Er trägt ein kariertes Flanellhemd, die Hosenträger halten die weite, graue Hose. Der Mann ist schwer krank. Er leidet an Alzheimer.
Arno Geiger hat ein lichtes Buch über ein dunkles Thema geschrieben. Er erzählt in seinem Buch „Der alte König in seinem Exil“, wie der Vater sich allmählich verändert und mit seiner Krankheit eine eigene Welt baut, aus der er am Anfang auch unvermittelt wieder heraustreten kann. Er fragt: „Was ist mit meinem Kopf los? (…) Da stimmt doch etwas nicht. Kannst du mir sagen, wie wir das reparieren können?“ (Arno Geiger, Der alte König in seinem Exil, München 2011, S. 129) Aber der Sohn kann ihm die verlorene Erinnerung nicht zurück geben – so gern er es auch täte.
Vieles, was er mit seinem Vater erlebt, ist komisch, ja, ver – rückt. Die Dinge sind für den Vater nicht an dem Ort, an den sie hingehören. Doch dem Sohn und mir als Leserin bleibt das Lachen oft im Halse stecken. Zu schmerzhaft ist es mitzuerleben, wie der Vater sich innerlich immer mehr entzieht und trotz guter Pflege und Unterstützung schließlich nicht mehr zu Hause gepflegt werden kann. So lehrt der Vater seine Familie, was es bedeutet, die Würde nicht mehr aus dem zu beziehen, was einer leistet und schafft.
Der Abschnitt über das verlorene Gefühl, zuhause zu sein, gehört für mich zu den Stellen im Buch, die mich besonders angerührt haben. Zuhause sein, so versteht der Sohn seinen Vater, bedeutet: es ist so wie früher. Das Leben fühlt sich richtig an. „Diesen Ort des Trostes nannte der Vater Zuhause, der Gläubige nennt ihn Himmelreich.“ (ebd. S. 56).