Auf dem Karussell
Montagmorgen: Wir steigen wieder ein in den Rhythmus unserer Arbeitswoche und nehmen langsam Fahrt auf. Manche sagen: Wir steigen wieder ein in das alltägliche Karussell: Termine, Verabredungen, Verpflichtungen. Oder: Ewig das gleiche Einerlei, ein Tag wie der andere. Viele sind stimmungsmäßig noch im Wochenende. Aber nun gilt es, nach vorne zu schauen und das Tempo wieder anzunehmen. Im Karussell des Alltags: Hektisch für die einen. Öde für die andern.
Dass man bekanntlich von den Kindern lernen kann, ist mir durch einen ziemlich kleinen Karussellfahrer klar geworden. Philipp, zwei Jahre alt, sitzt auf dem Jahrmarkt zum ersten Mal in einem kleinen Feuerwehrauto und lässt sich schön im Kreise drehen. Wir Erwachsenen stehen unten vor dem Karussell und schauen ihm bei seiner Fahrt zu. Wenn er in die Kurve kommt, braucht er immer eine ganze Weile, bis er uns unter den vielen Menschen entdeckt hat. Das gelingt ihm immer erst, kurz bevor er wieder aus unserem Blickfeld verschwindet - und wir aus seinem. Und dann lächelt er. Obwohl er uns gar nicht mehr sehen kann. Er nimmt die beruhigende Feststellung, dass wir noch alle da sind und mit ihm lachen und ihm zuwinken, er nimmt diese beruhigende Feststellung mit in die nächste Kurve. Irgendwie hat er uns noch bei sich auf der anderen Seite des Karussells.
Von Kindern kann man lernen, wie man einsteigt in das Karussell des Alltags und trotzdem mit sich nimmt, was einem wichtig ist. Das Geheimnis heißt: Erinnerung. Der Satz "gestern ist gestern und heute ist heute" stimmt nur zum Teil. Sicher, es gehört zum erwachsenen Leben dazu, dass wir die Aufgaben ernst nehmen, die sich uns täglich stellen und nicht ewig rückwärtsgewandt herumlaufen. Aber das, was gestern war, kann mit uns gehen. Wir können es mitnehmen in die nächste Kurve und auf die Rückseite des Karussells. Gute Worte, die wir gehört haben. Begegnungen, von denen wir noch lange zehren. Glück, das wir hatten. Hände, die wir fest gedrückt haben. Den Segen Gottes, der mit uns geht in unseren Alltag. Und wir lächeln auch am Montag.