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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Arme haben nicht viel Zeit – schon gar nicht, wenn es kalt ist

Arme haben nicht viel Zeit – schon gar nicht, wenn es kalt ist

Seit dieser Woche ist es endgültig Winter. Vor allem für Menschen ohne festen Wohnsitz ist das die riskanteste Zeit des Jahres. Die Suche nach geeigneten Schlafplätzen und tagsüber nach Aufwärmstationen ist zur Überlebensfrage geworden. In den Städten sind die Sozialdezernate mobilisiert, in Kassel etwa gibt es beheizte Notschlafcontainer, in Frankfurt macht ein Kältebus Sichtungsfahrten. Aber auch das Engagement Einzelner ist wichtig, findet Helwig Wegner-Nord von der evangelischen Kirche.

Brote und warmes Essen an Bedürftige verteilen und Vesperpakete für den Abend, – für Herrn Z. ist das am Anfang, erzählt er, sehr merkwürdig gewesen. Seine Kollegen von der Bank, die schon letztes Jahr dabei waren, zeigen ein bisschen mehr Routine beim Einsatz an ihrem sogenannten ‚social day’ . Aber irgendwie eigenartig bleibt das schon: Banker treffen auf Obdachlose. Und sie verteilen ja nicht nur Essen, sondern sprechen auch mit den Gästen von der Straße, hören ihre schlichten oder verworrenen Lebensgeschichten.

Das ganze findet im Herzen Frankfurts statt, gleich neben der Hauptwache. Anfang Januar hat dort die Evangelische Katharinengemeinde ihre sogenannte „Winterspeisung“ begonnen. Und ab morgen wird die Aktion in der Weißfrauenkirche im Bahnhofsviertel fortgesetzt. Auch als es noch nicht so kalt war – es haben sich immer ein paar hundert Menschen dort zwischen halb zwölf und halb fünf eingefunden. Manche ohne Wohnsitz, andre einfach arm und hungrig oder auf der Suche nach einem dicken Pullover.

Die Kälte jetzt macht denen, die auf der Straße leben, zu schaffen. Im letzten Winter sind in Deutschland vier Obdachlose erfroren. Und auch 2012 sind die ersten Kältetoten zu beklagen.

Ich frage mich, warum ausgerechnet die Banker zum Helfen hierher kommen. Ein Bekannter, mit dem ich drüber spreche, sagt: „Wer so viel mit Geld zu tun hat und selbst so gut verdient, muss was gegen sein schlechtes Gewissen tun. Und außerdem“, fährt er fort, „außerdem poliert die Bank noch ihr Image mit der Aktion auf.“

Und wirklich: auf der Homepage der Bank wird das Engagement der Mitarbeiter ganz ordentlich vermarktet. Und auch die 5.000-Spende, die mit in die Aktion eingeflossen ist.

Ich finde dieses Engagement trotzdem bewundernswert. Auch und gerade, wenn die Banker mit dem Logo ihrer Bank auf dem Hemd zeigen, wer sie sind. Es ist besser, warme Suppe auszuteilen, als die Augen davor zu verschließen, dass es Armut und Not mitten unter uns gibt. Mich erinnert die Begegnung von Arm und Reich in den Kirchenbänken an einen Satz von Jesus über hungernde und frierende Menschen: „Was ihr einem von diesen Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan. Und was ihr denen nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan.“

Herr Z. von der Bank hat das ganz schlicht so verstanden: es kommt drauf an, etwas zu tun. Hinterher können wir ja auch gerne über die Motive der Helfer sprechen und über Maßnahmen, die noch gründlicher Abhilfe schaffen als ein Becher heißer Tee. Aber erst mal geht’s drum, etwas zu tun. Die Armen in unserem reichen Land haben nicht viel Zeit, um auf Hilfe zu warten. Schon gar nicht, wenn es so kalt ist.