12.10.1492 – Kolumbus landet auf den Bahamas
Es gibt immer zwei Möglichkeiten, Geschichte zu schreiben: von oben oder von unten. Geschichte von oben, das geschieht aus dem Blickwinkel der mächtigen Macher, der Herrschenden und Starken. So habe ich in der Schule die meisten Informationen über frühere Jahrhunderte lernen müssen. Die Thronfolge irgendwelcher Herrscherfamilien etwa war offenbar immer wichtiger als die Lebensverhältnisse ihrer Untertanen. Deren „Geschichte von unten“ hat nur selten jemand aufgeschrieben.
Nehmen wir zum Beispiel die sogenannte Entdeckung Amerikas durch Kolumbus. Es war genau heute vor 520 Jahren. Der 12. Oktober ist auch im Jahr 1492 ein Freitag. Mit drei Schiffen unter spanischer Flagge war Christoph Kolumbus Anfang August aufgebrochen und nun bei den Inseln angekommen, die wir heute die Bahamas nennen.
Das Abenteuer und der Erfolg dieser Reise aus Europäischer Sicht sind oft genug beschrieben und verfilmt worden. Hört man aber die Geschichte der Eroberung aus der Sicht der Menschen, auf die Kolumbus und seine Männer damals trafen, überfällt einen das kalte Grausen. Innerhalb weniger Jahre sind die Einwohner zu hunderttausenden den spanischen Eroberern zum Opfer gefallen. Sei es, dass sie den Krankheiten wie Pocken, Masern oder Grippe erlegen sind, die es bisher auf den Inseln nicht gegeben hatte. Oder dass sie von den Konquistadoren einfach niedergemacht wurden. Oder dass sie sich gruppenweise das Leben genommen haben, weil sie den Tod der Sklaverei vorgezogen haben.
Besonders bedrückend liest sich bei Kolumbus und anderen, dass man diese Menschen ja nicht nur zu Untertanen der Spanischen Krone machen wollte. Ziel war angeblich auch, sie fürs Christentum zu gewinnen. Eine Missionierung mit billigen Glasperlen und Waffengewalt! Wie weit hatte man sich damals von allem entfernt, was das Evangelium einmal gewesen ist. Die Geschichte von dem Mensch gewordenen Gott, der die Botschaft der Nächsten- und Feindesliebe gelebt hat und dafür auch gestorben ist, die bedingungslose Zuwendung Jesu zu den Armen und Kranken und Schwachen – das alles scheint damals kaum noch eine Rolle gespielt zu haben.
Es ist wie eine wunderbare Ironie, dass heute das Christentum gerade in Mittel- und Südamerika lebendiger ist als in Europa. Viele, vor allem arme Menschen dort finden sich in den Berichten des Neuen Testaments unmittelbar wieder. In dem, was sie von Jesus hören, spüren sie sich ernstgenommen. Irgendwie finden sie darin auch ihre eigene „Geschichte von unten“ wieder.