100 Euro jeden Monat
Ich stelle mir vor, wie das für die Frau aus meiner Nachbarschaft gewesen wäre, die vor ein paar Jahren aus Russland zugezogen ist. Wenn man ihr schon das Betreuungsgeld angeboten hätte, hätte sie ihr Kind vielleicht zuhause behalten und weiter versucht, so zu leben, wie sie das als Kind kennengelernt hat. Für sie war das zunächst eine bedrohliche Vorstellung: Ihr eigenes Kind weggeben, mit ein oder zwei Jahren, es hinauslassen in eine fremde Welt, kaum dass es selbst laufen kann, in eine Kinderkrippe. Vielleicht hätte sie die hundert Euro genommen und auf den Halbtagsjob in der Bäckerei verzichtet.
Heute sagt sie im Rückblick: „Das wär’ aber schade gewesen. Unser Mischa hat so schnell seine Freunde gefunden und schneller deutsch gelernt als ich. So hat er’s leichter, wenn er in die Schule kommt.“ Was meine Nachbarin da erzählt, bestätigt auch die Leiterin der Krippe. Sie sagt mir: „Auch viele Kinder aus dem Ort haben es schwer, an einer Sache dranzubleiben und einmal einen Stern fertig zu basteln.“ Da können wir als Erzieherinnen gut helfen. Das haben wir ja gelernt. Wir können viele Angebote machen, sogar die Musikschule kommt zu uns.“ Im Gespräch mit der Leiterin wird mir klar: Hier stehen die Kinder im Mittelpunkt. Und das ist genau das, was mir als Christ auch wichtig ist. Jesus hat zuerst auf die Kinder geschaut. Er hat seine Jünger hart kritisiert, als sie die Kinder beiseite schieben wollten. Jesus dagegen stellt sie in die Mitte.
Deshalb stehen für mich an erster Stelle nicht die Wünsche der Erwachsenen, sondern die Bedürfnisse der Kinder. Kinder müssen sicher sprechen lernen, weil ihnen die Sprache die Tür öffnet für alle Schritte ins Leben. Sie brauchen Spielpartner, die mit ihnen unterwegs sind.Sie brauchen verlässliche Erwachsene, die sie gezielt fördern. Das kann in der Familie gut klappen und auch in einer Kindertagesstätte. Meine Nachbarin sagt: „Die Krippe, das war eine gute Entscheidung für uns, sie hat uns geholfen, hier anzukommen und dazuzugehören.“