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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Lernen braucht Zeit und Beziehungen

Lernen braucht Zeit und Beziehungen

Wer im Leben was werden will, braucht Beziehungen. Ich meine jetzt mal nicht das berühmte „Vitamin B“. Als Schulseelsorger geht es mir viel mehr um die guten Beziehungen der Kinder zu ihren Eltern und zu ihren Lehrern.

Remo Largo, Professor für Kinderheilkunde in Zürich, sagt dazu: „Wenn Sie als Lehrer keine tragfähige Beziehung zu Ihren Schülern haben, dann müssen Sie die Schüler mit Prüfungen und Noten dazu zwingen, den Lernstoff auswendig zu lernen. Wenn aber eine gute Beziehung besteht, dann wollen die Kinder lernen.“

Viele können das aus ihrer eigenen Erfahrung bestätigen, egal zu welcher Zeit sie zur Schule gegangen sind.

Man kann Kinder nicht beliebig fördern.

Als Kinderarzt vergleicht Largo das Maß der Förderung mit einer Essensportion: Hat ein Kind zu wenig davon, bleibt es klein. Bekommt es ausreichend zu essen, wird es so groß wie es werden kann. Wenn es überfüttert wird, wird es nicht mehr größer, es wird nur dicker.

Wenn Kinder wenig angeregt und gefordert werden, werden sie unzufrieden. Auf der anderen Seite produziert zu viel Druck schulischen Kummerspeck und Lernfrust.

Wichtiger als Druck ist für Schülerinnen und Schüler, dass sie in respektvollen Beziehungen leben – zu ihren Lehrinnen und Lehrern und zu den Eltern.

Zugegeben, das braucht Zeit.Largo sagt: Zeit ist in der Erziehung das kostbarste Gut geworden.

Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit ihren Klassen Zeit nehmen, um Wertschätzung einzuüben und in ein gutes Lernklima investieren.

Und die Eltern?

Weil Kinder immer auch Gottes Kinder sind, gehört ein Kind nie den Eltern. Es kommt nicht zur Welt, um ihre Erwartungen zu erfüllen, ein Einser-Abitur zu machen, den Betrieb einmal zu übernehmen, oder die Rente zu finanzieren.

Kind Gottes zu sein, das heißt: jedes Kind soll so werden dürfen, wie Gott es gemeint hat.Ich finde, das ist ein heilsamer Vorbehalt, der Eltern helfen kann, die Beziehung zu ihren Kindern respektvoll zu pflegen.

Das kann vielleicht heißen,morgens mit aufzustehen und gemeinsam zu frühstücken, auch wenn ich mal frei hätte. Den Urlaub nicht voll planen, Lücken lassen für Überraschungen, gemeinsam Zeit verbringen, statt einzeln Musik zu hören, oder im Netz zu verschwinden, das Erzählen und Zuhören wieder entdecken.

Wer im Leben was werden will, braucht Beziehungen. Die Zeit, die das braucht, ist gut angelegt.