hr1 ZUSPRUCH
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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Lernen aus Fehlern anderer

Lernen aus Fehlern anderer

Wenn alles gesagt ist, bleibt mir immer noch Mitleid. Ich gebe zu, ich habe auch Mitleid mit Herrn zu Guttenberg. Sein später Rücktritt war richtig. Aber alle Strauchelnden tun mir irgendwann leid, wenn sie verstrickt sind in ihre Fehler oder Zwänge - und dann nur falsche Auswege und Ausreden suchen. Mitleid ist keine Entschuldigung, aber ein gewisses Verständnis. Ich selber tue mir auch leid, wenn ich vor lauter Selbstgewissheit Fehler mache und mich dann noch verrenne in seltsame Rechtfertigungen aller Art.

Wenn alles gesagt ist, bleibt Mitleid und - mich an die eigene Nase zu fassen, wie man so sagt. Was lerne ich aus dieser Woche der Fehler und schiefer Erklärungen? Was sagt mir das? Es sagt mir dreierlei, was ich mir zu Herzen nehmen will. Zuerst: Ich will starke Worte meiden. Wenn ich bei etwas ertappt werde, will ich möglichst leise bleiben und mich nicht entrüsten. Starke Worte sind gefährlich, weil sie bald auf mich zurückfallen. Zweitens will ich lernen: Wenn ich einen Fehler gemacht habe, darf ich den nicht verschleiern. Je mehr ich vertusche oder verharmlose oder anderen die Schuld gebe, desto mehr wird nachgeschaut und nachgefragt. Lieber will ich sofort zugeben, was ich versäumt oder angerichtet habe. Denn, drittens: Verzeihen kann man mir nur das, was ich eingestehe. Ich muss, so schwer das ist, zu meinem Fehler stehen - auch wenn manche vielleicht gar nichts verzeihen und sich nur hämisch die Hände reiben. Das muss ich riskieren. Aber wer sich selbst ein wenig kennt, wird Fehler anderer verzeihen. Bekennen muss ich aber schon, und zwar alles, ohne Verdrehungen. Es gibt keine Lichtgestalten. Und Täter sind keine Opfer, auch wenn sie sich gerne in die Rolle eines Opfers hinein reden.

Ich will, dass Fehler und Vergehen aufgedeckt werden. Ich will aber auch, dass Fehler verziehen werden. Nur wo Menschen verzeihen, kann man aufrichtig leben. Aufrichtig bin ich, wenn ich mich selber nicht dauernd nur für gut halte. Sondern Gott bitte, mich gut zu machen (Psalm 51,12): Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz.