Jederzeit wieder einsteigen …
Die Sache mit dem Stadtbesichtigungsbus fand ich am Anfang überhaupt nicht überzeugend. Da wird man durch die Stadt gefahren, dachte ich mir, wird an ihren Schönheiten und Attraktionen vorbei gekarrt. Ein paar kluge Sätze der Reiseführerin und eifrig Schnappschüsse durch die Scheibe des Doppeldeckerbusses – und das wars dann. Nein, auf so passive und bequeme Weise wollte ich Hamburg nicht entdecken.
Aber die Dame im Tourismusbüro ahnte offensichtlich meine Vorbehalte oder sah mir meine Skepsis an der Nasenspitze an. Jedenfalls wies sie mich freundlich darauf hin: „Sie können die Rundfahrt an jeder Haltestation unterbrechen; Sie können jederzeit aussteigen und dann – wann sie wollen – in einen der nächsten Busse wieder einsteigen. Alle halbe Stunde. Bis heute Abend.“
Das macht Sinn. Man muss sich weder die Füße wund laufen noch das eigene Auto in Gang setzen und ständig einen neuen Parkplatz suchen. Der Bus fährt und ich steige aus. Und der übernächste kommt. Und ich steige wieder ein. Ich sehe viel und habs bequem.
Eigentlich ein menschenfreundliches Modell, dass es verdient, nicht nur für die touristische Erschließung einer Stadt eingesetzt zu werden.
Der erste Teil des Modells ist ja hinlänglich bekannt: Menschen steigen aus. Oder werden ausgestiegen. Reihenweise. Aus ihrer Arbeit. Aus einer festen Beziehung. Werden nicht versetzt. Bleiben irgendwie auf der Strecke. Sind schließlich auch ausgestiegen aus ihrem Selbstvertrauen und aus der Hoffnung, dass es das Leben doch irgendwie gut mit ihnen meint. Was will man machen? Der Bus fährt weiter. Der Zug ist abgefahren. Manchmal endgültig. Soweit kennen das viele Menschen. Und leiden darunter.
Aber nun auch: Jederzeit wieder einsteigen! Unternehmen werden wieder aufmerksam, auf ältere Menschen, habe ich gelesen. Sie machen gute Erfahrungen mit denen, die nach Jahren der Arbeitslosigkeit an der Maschine und im Büro wieder ihren Mann und ihre Frau stehen. In der Jugendwerkstatt in Gießen lernen junge Leute, Möbel zu restaurieren. Einer sagt: „Bisher dachte ich, ich bin zu nichts zu gebrauchen. Und jetzt sehe ich zum ersten Mal, dass ich was kann!“
Für eine Gesellschaft, die trotz aller Zwänge den Menschen im Blick behält, könnte das ein Motto sein: Jederzeit wieder einsteigen! Niemand ist abgeschrieben, abgehängt. Der Zug ist für keinen endgültig abgefahren