hr1 ZUSPRUCH
hr1

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Die pubertierenden Kinder Gottes

Die pubertierenden Kinder Gottes

Eine Freundin von uns nennt sie die „Pubertisten“ – die Kinder im Alter so zwischen 12 und 16. Pubertisten sind nicht immer ganz einfach. Vor allem die eigenen Eltern sehen sich ihren gereizten Ausbrüchen ausgesetzt. Aber die Jugendlichen stehen auch vor einer Riesenaufgabe: in dieser Zeit, in ihrer Pubertät, müssen sie schrittweise lernen, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.

Jesper Juul sagt: Es darf in der Pubertät zwischen Eltern und Kindern ruhig krachen! Der Mann ist ein dänischer Familientherapeut und er meint, wenn Eltern zu nett sind, dann ist das für die Kinder ganz furchtbar! In Dänemark, erfahre ich bei Jesper Juul, nennt man die Kinder von solchen zu netten Eltern: Curling-Kinder. Beim Curling-Sport werden Curlingsteine übers Eis gespielt, und vor dem rutschenden Stein wischt ein Mitspieler mit einem Besen übers Eis, um der Sache einen optimalen Verlauf zu geben. Curling-Kinder sind Kinder, vor denen die Eltern sozusagen mit einem Besen her rennen, um jede Unebenheit zu beseitigen, jede Reibung wegzuwedeln, eben wie auf der Eisbahn.

Aber wenn wir Reibung vermeiden wollen, ihnen Steine aus dem Weg räumen, oder wenn wir ihnen Verständnis signalisieren, wo wir gar keines mehr haben – dann tun wir den Kindern damit überhaupt keinen Gefallen. Wer seinen Pubertisten Konflikte erspart, macht es ihnen schwerer, als wenn er ihnen Widerstand zumutet. Man braucht Schmerz, man braucht Frustration, um zu wachsen. Jugendliche brauchen Vertrauen und Freiheit, um erwachsen zu werden, ja – aber eben auch Reibung.

Als ich mit einem Kollegen von mir darüber spreche, meint er, mit der Pubertät wäre das längst nicht vorbei. Im Grunde wünschten sich doch viele erwachsene Menschen so eine Curling-Existenz: Gott und seine Engel sollen doch bitte alle Hindernisse und Reibungsflächen aus dem Weg räumen. Wenn irgendwas nicht so läuft wie erwartet, dann hadert man mit diesem Vater im Himmel, weil er nicht vorher ordentlich den Besen geschwungen hat.

Aber Gott ist wohl eher so, wie Jesper Juul sich gute Eltern vorstellt: Nicht zu nett. Nicht zu genervt, um uns und sich Auseinandersetzungen und Konflikte zuzutrauen. Er vertraut uns und setzt uns Grenzen. Eigentlich ist das sehr einleuchtend. Denn nur so können wir ja lernen, Verantwortung für unser Leben zu übernehmen. Gott sei Dank.