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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Das Helle sehen

Das Helle sehen

„Ein Drittel der Menschen wird dich mögen, einem Drittel wirst du egal sein und ein Drittel wird dich nicht mögen.“ Mit diesen Worten versuchte mich vor einigen Jahren ein älterer Kollege auf das Pfarramt einzustimmen; genauer gesagt, auf die Menschen, mit denen ich zu tun haben werde. Es fiel mir schwer, mich auf diese Rechnung einzulassen. Mein Wunsch war es doch, mit jedem gut auszukommen.

Natürlich begegne ich im Leben nicht nur Menschen, die mir angenehm sind. Man kann sich seine Mitmenschen schließlich nicht immer aussuchen: ob Kollegen, Nachbarn oder Menschen, die einem täglich begegnen. Bei dem einen spürt man gleich eine gewisse Verbundenheit, eine andere geht auf Distanz, ohne dass man weiß, warum, wieder andere nehmen einen kaum wahr. Ich weiß nicht, ob die DrittelRechnung meines Kollegen genau aufgeht. Wahr ist aber sicher, dass Menschen nicht immer die gleiche Harmonie verbindet. Das kann ich bedauern, aber auch nicht immer ändern.

Allerdings sollte mein Blick nicht immer nur an denen hängen bleiben, mit denen ich es schwer habe und die es schwer mit mir haben. Dann würde mir die Lebensfreude schnell abhandenkommen. Ich würde mich nur noch enttäuscht und frustriert fühlen und mich möglicherweise zurückziehen. Wichtiger ist, die nicht aus den Augen zu verlieren, die es gut mit mir meinen und denen ich mit meiner Art etwas geben kann, das sie schätzen. Das gibt mir Selbstsicherheit und Freude an dem, was ich tue.

Wenn ich nicht immer nur auf das Schwierige im Leben schaue, sondern vor allem auf das, was gelingt und gut ist, dann wird man mir das ansehen und spüren. Dann werden auch die einen anderen Blick auf mich bekommen, die mich sonst immer kritisch oder gleichgültig betrachten. Jesus sagt: Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten. Ich verstehe das auch so: dass ich nicht nur ratlos auf die dunklen Seiten des Lebens schaue, sondern dankbar auf das, was mir an Hellem und Gutem geschenkt ist. Das wird sich dann in meinem Reden und Handeln widerspiegeln und auch einen finsteren oder gleichgültigen Blick aufhellen.