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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer im Ruhestand, Biebertal

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Manchmal darf’s auch ein bisschen mehr sein. Zum Beispiel, wenn es um unsere Bewegung geht. Warum sollte ich eigentlich nicht mein Ergometer-Fahrrad, das viel zu oft unbeachtet in der Ecke steht, als Stromquelle für meinen Fernseher benutzen? Das Prinzip ist doch ganz einfach: Der Fernseher läuft nur, wenn ich trete. Und wenn ich meine Beine nicht schnell genug bewege, dann wird der Bildschirm eben dunkel.

Das macht doch irgendwie Sinn, finde ich. Weil die Menschen früher sich ja auch bewegen mussten, wenn sie etwas Neues oder etwas anderes sehen wollten. Und heute lässt man einfach die ganze Welt an sich vorbeilaufen – und hockt selbst im Sessel und knabbert Chips. Technisch versierte Freunde, mit denen ich meine Idee besprochen habe, sind skeptisch: „Die Kraft eines Menschen reicht doch gar nicht, um so ein Hochleistungsgerät mit mehr als einem Meter Bildschirmdiagonale anzutreiben“. Und ich drauf: „Na gut, dann muss ich mir eben jemanden suchen, der mit mir zusammen in die Pedale tritt. Kann ja auch Spaß machen, einen spannenden Tatort gemeinsam aus dem Fahrradsattel anzuschauen, oder vielleicht sogar die Tour de France. Du, diesmal fahren wir mit, quer durch ganz Frankreich.“

Ideen für mehr Bewegung habe ich genug. Man könnte zum Beispiel an Aufzügen ein Schild anbringen: „Nur zugelassen ab vier Stockwerke und für Gehbehinderte, für Herzkranke und Leute mit Kinderwagen“

Denn wenn es um die Bewegung geht, glaube ich, muss man sich selbst überlisten. Nur so kommt man wieder zu dem zurück, was in uns Menschen angelegt ist: Es gehört zu unserer menschlichen Ausstattung, so sind wir eben von Gott gedacht und gemacht, dass wir unsere Nahrung nur dann erbeuten oder auf dem Feld anbauen und ernten, wenn wir uns bewegen. Auch die Bibel sagt ganz am Anfang: Der Mensch, der nicht mehr im Paradies lebt, wird im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen. Das klingt wie eine Strafe, ist es aber nicht. Hier wird nur beschrieben, was zum normalen Leben gehört. Wer im Sitzen und Liegen alle Kostbarkeiten in sich hineinfuttert, lebt ungesund und möglicherweise nicht lange. Aber da, wo es bei der Bewegung ein bisschen mehr ist, da lässt sich auch viel entspannter mit dem Kopf nicken, wenn die Verkäuferin an der Wursttheke fragt: Darf’s ein bisschen mehr sein?