Beten ist Handwerk und das kann man erlernen
Wie reden wir mit Gott? Welche Sprache finden wir für das, was wir glauben? Die Antworten darauf können sehr unterschiedlich ausfallen. Denn unsere religiöse Welt ist ja immer auch ein Teil unserer jeweiligen Kultur. In Südamerika oder in Afrika kann man erleben, dass die Menschen öfter oder lauter beten, als wir es gewohnt sind. Und auch, dass man andere zum Gebet einlädt, mit ihnen zusammen ganz unbefangen die Hände faltet, um zu Gott zu beten.
Bei uns in Deutschland gehört das persönliche Beten zu den intimen Dingen. Wer betet, zieht sich eher vor anderen Menschen zurück, als dass er ihre Gemeinschaft sucht. Wer betet, spricht meistens leise, meditiert vielleicht auch nur schweigend einen Text. Das hat gute Gründe. Immerhin hat Jesus selbst, so wird berichtet, seine Jüngerinnen und Jünger aufgefordert: „Wenn du beten willst, geh in dein Zimmer, schließ die Tür, und dann bete zu deinem Vater, der auch im Verborgenen gegenwärtig ist…“ 7
Auch der Reformator Martin Luther empfiehlt, einen Text aus der Bibel „wiederkäuend“, wie er sagt, zu meditieren und damit das „Herz warm zu beten“. Und das kann ganz in der Stille, schweigend geschehen.
In Deutschland beten viele Menschen überhaupt nicht mehr. Weder leise noch laut. Das gemeinsame Tischgebet etwa kennen nur noch acht Prozent der Menschen. Und die anderen? Sie haben es nicht eingeübt, vielleicht nie kennen gelernt. Vielleicht würden sie es gerne können, aber wie findet man da einen Anfang?
Der Theologe Fulbert Steffensky hat geschrieben: „Beten ist keine Kunst, sondern ein Handwerk.“8 Das gefällt mir. Beten ist Handwerk und ein Handwerk kann man lernen. So wie ein Schreiner bei einem Schreiner in die Lehre geht, so lernen Menschen das Beten von Beterinnen und Betern.
Als „Auszubildender“ schaue ich mir zunächst mal die fertigen Stücke der „Meister“ an. Die Psalmen etwa, Meisterstücke des Gebets. Mit der Zeit entdecke ich weitere Gebete, das Gebet Jesu, das Gebet der Maria, Gebete aus unserer Zeit. Ich lese sie, spreche sie nach, mache sie mir zu Eigen. Dann mache ich mir ein Fenster in den Tagesablauf. Morgens oder abends, ein Fenster zum Himmel mit Zeit zum Beten. Es ist nicht wichtig, ob ich dann schweige, spreche oder auch mal laut schreie. Dass ich meiner Seele das Fenster zum Himmel öffne, das ist wichtig. 9