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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

25 Jahre nach Tschernobyl

25 Jahre nach Tschernobyl

Was, wenn heute vor 25 Jahren Westwind gewesen wäre? Vielleicht hätte die Sowjetunion versucht zu vertuschen, dass da eine radioaktive Wolke vom Kernreaktor in Tschernobyl nach Westen gezogen ist.

Am 26. April 1986 kam der Wind aber aus dem Osten. Als Student habe ich in Marburg die Folgen miterlebt: Die Uni hat damals die Radioaktivität im Boden unabhängig gemessen. Die Einheit Becquerels war in aller Munde. Dann war klar: nicht nur die Sowjetunion, Polen und Skandinavien, auch Deutschland ist radioaktiv verseucht worden.

Aber da war nichts zu riechen oder zu schmecken. Bei Radioaktivität versagen die Sinne. Eltern haben nur widerwillig akzeptiert, dass ihre Kinder nicht mehr im Sandkasten spielen durften.

Meine Oma hat damals ihre Salatpflanzen im Garten angeschaut, kritisch und traurig. „Die sehen doch prima aus“, hat sie gesagt, „die essen wir“. Und dann, als sie versucht hatte, das Undenkbare zu begreifen: „Meinst du, es kommt bei mir noch drauf an“? Sie war 87.

In der Ukraine hat Tschernobyl bislang 120.000 Menschen den Tod gebracht. Erst neun Jahre später, 1995 hat man das offiziell zugegeben.

Der Fortschrittsoptimismus hatte Risse bekommen und der Glaube an die Machbarkeit wurde erschüttert. Aber das Gedächtnis hat eine geringe Halbwertszeit.

Günther Oettinger, der deutsche EU-Kommissar hat kürzlich gesagt: „Japan war undenkbar“. Schwer nachzuvollziehen 25 Jahre nach Tschernobyl.

Fast scheint es, als müssten immer mal wieder Castor-Transporte durchs Land rollen, um daran zu erinnern, dass da noch ein drängendes Problem ungelöst ist: Der strahlende Atommüll belastet noch tausend Generationen nach uns.

Die Welt als Schöpfung Gottes begreifen heißt wissen, dass Menschen nicht alles machen dürfen, das heißt die Risiken für alle Geschöpfe kleiner zu machen und die Erde nicht nur bebauen, sondern sie auch bewahren.

So wie viele hab ich angefangen, mich da zu bewegen, wo ich das kann.Zuerst nur ein kleiner Fingerklick, mit dem ich die Stromschalter bewusst und öfter betätige und den Stand by-Betrieb beim Computer oder Fernseher vermeide.

Dann hab ich den alten Stromfresserkühlschrank raus bewegt und einen energieeffizienteren gekauft.

Kleine, persönliche Anti-Atomkraft-Bewegungen sozusagen.Wenn diese Anti-Atomkraft Bewegungen weitergehen hin zu gut isolierten Häusern und modernisierten Industrieanlagen, dann kann damit so viel Strom eingespart werden, wie 10 Atomkraftwerke im Jahr erzeugen. Strom, der nicht gefährlich erzeugt werden muss.

Egal, wie lange es noch dauert, bis alle Atomkraftwerke abgeschaltet sind, diese Anti-Atomkraftbewegungen helfen, die Schöpfung zu bewahren.