Einmal König sein
Wenn ich einmal ein König sein könnte, so richtig wie im Märchen, das wäre klasse! Dann könnte ich alles bestimmen. Die ganze Welt könnte ich verändern, wie ich es wollte. Dann würde ich einmal diagonal durch die Nachrichten gehen: Von A wie Armut bis Z wie Zerstörung. Alles würde ich mit einem Machtwort in Ordnung bringen. Und zwar ruckzuck.
So oder so ähnlich haben es viele erwartet, als Jesus nach Jerusalem zog. Es war der Marsch in die Hauptstadt und damit der Anfang vom großen Finale – so haben es viele Anhänger Jesu gesehen. Für sie war alles, was Jesus vorher getan hatte, nur ein Vorspiel – Fingerübungen seiner Macht. Denn bislang hatte er überwiegend in der Provinz, in den Dörfern und kleinen Städten, gezeigt, was in ihm steckte: dass er Kranke heilen konnte, sogar Tote auferwecken. Dass er über die Kraft Gottes verfügte.
Was er mit diesen Kräften noch alles zustande bringen konnte, wenn er nur wollte, das konnten sich die Jünger ausmalen. Die Weltherrschaft, sagten diejenigen, die groß dachten. Andere dachten etwas kleiner. Sie erwarteten, dass er sie zumindest von den Römern befreien würde, den verhassten Besatzern. Und vielleicht auch noch von all den anderen, die das Volk arm hielten und selbst immer reicher wurden. Jesus würde die Welt radikal verändern, das erhofften sich viele. Deshalb:
Als Jesus nach Jerusalem zieht, bereiten sie ihm dort einen königlichen Empfang. Sie schlagen Palmenzweige von den Bäumen und legen sie auf den Weg. Diese Palmenzweige geben dem heutigen Tag seinen Namen: Palmsonntag. Der Name erinnert an diese Ankunft Jesu in Jerusalem. Zugleich eröffnet dieser Palmsonntag die Karwoche. Sie wird später ein ganz anderes Ende nehmen, als es seine Jünger erwartet haben. Am Ende wird Jesus tot sein, elend gestorben unter Folter und Hinrichtung.
Doch das weiß am Beginn der Woche noch niemand. Da stehen die Zeichen erst einmal auf Sieg: Wie ein Star über den berühmten roten Teppich schreitet, so reitet Jesus über die Palmzweige nach Jerusalem. Die Stadt ist damals das Zentrum der Macht. Und eben diese Macht fordert Jesus heraus. Denn es stimmt: Er will nichts Geringeres als die Welt verändern. Aber ganz anders, als es viele zunächst denken. Er zielt nicht direkt auf die politische Macht. Er kämpft um die Herzen der Leute, denn sie sind es, die die Welt wirklich verändern können.
Mit dem Herzen die Welt verändern – diesen Wunsch hat auch ein anderer. Ein moderner Popstar, der morgen 70 Jahre alt wird: Eric Clapton. Rockgitarrist der ersten Generation, manche sagen: der König unter den Gitarristen. Einer seiner berühmtesten Popsongs heißt „Change the World“ – „Verändere die Welt“. Es ist eine sanfte und sehr persönliche Ballade. In der er aber immerhin nach den Sternen greift.
Musik
"Wenn ich die Sterne erreichen könnte, würde ich für dich einen nach unten holen. Würde mit ihm auf mein Herz leuchten. Dann könntest du die Wahrheit sehen, dass diese Liebe, die ich in mir habe, genauso ist, wie sie scheint. Aber für den Moment sehe ich: es findet nur in meinen Träumen statt, dass ich die Welt verändern kann."
Das Lied überrascht. „Change The World“ – unter diesem vollmundigen Titel habe ich mir eigentlich etwas Größeres vorgestellt. Aber Eric Clapton träumt von der großen Macht nur, um eine Frau zu beeindrucken, die er offenbar liebt. Der Song ist ein Liebeslied, das scheinbar nur auf ein kleines persönliches Idyll abzielt. Aber selbst das ist noch zu viel. In dem Lied bleibt der Griff nach den Sternen der Liebe nur ein Traum. Und die Welt bleibt, wie sie ist.
Der Song „Change The World“ wurde durch einen Film weltberühmt. Der Film heißt im Original „Phenomenon“. Ein Drama, in dem es um einen Automechaniker namens George Malley geht. Der hat durch einen kosmischen Lichtblitz übersinnliche Intelligenz erhalten. Eine Riesenchance und eine große Verantwortung! Dessen ist sich Malley bewusst. Er will diese Gabe nur zum Guten der Menschheit einsetzen. Aber es gelingt ihm nicht. Die Leute werden misstrauisch und feindselig. Außerdem wird der Geheimdienst auf ihn aufmerksam und will ihn für seine Zwecke einspannen. Dem entzieht er sich. Er muss dann aber feststellen, dass seine enorme Geisteskraft wohl nur die Folge eines Gehirntumors ist. Und dieser Tumor wird ihn bald töten. Nach einer letzten Nacht mit seiner Angebeteten stirbt er. Dazu erklingt dann das Lied von Eric Clapton „Change The World“. Eine traurige Hymne über den Traum von einer besseren Welt. Der einmal mehr gescheitert ist.
Der Film erinnert mich an das Leben Jesu, denn es gibt einige Parallelen. Beide, Jesus und George Malley, haben unerklärliche Kräfte. Beide wollen damit die Welt verbessern, aber nicht mit Macht, Geld oder Gewalt. Sondern mit Liebe. Beide ziehen das Misstrauen der normalen Leute auf sich und beide geraten in Konflikt mit den staatlichen Mächten. Am Ende finden sie einen frühen Tod.
Allerdings stirbt Jesus nicht an einen Tumor in seinem Kopf, sondern an den kranken Phantasien in den Köpfen anderer. Jesus wird wenige Tage nach seinen Einzug in Jerusalem verhaftet, verhört und gefoltert. Am Ende, am Karfreitag, wird er hingerichtet von denen, die an der Macht bleiben wollen und die seine Macht fürchten. Sie nageln ihn an ein Kreuz. Aus Spaß und zum Spott hängen sie über ihm ein Schild auf. Darauf steht: König der Juden. Sie merken gar nicht, wie sehr ihr Schild stimmt. Er ist ein König, der die Welt verändern will – nur eben anders als es seine Gegner und auch manche seiner Anhänger denken. So könnte auch für ihn das Lied von Eric Clapton erklingen: „Change The World“.
Musik
"Wenn ich der König sein könnte, zumindest für einen Tag, dann würde ich dich als meine Königin nehmen. Und unsere Liebe würde regieren in dem Königreich, das wir uns geschaffen haben. Bis dahin werde ich ein Narr sein, der auf den Tag wartet."
Eric Clapton wiederholt seinen Wunsch: König sein für einen Tag. Dann könnte er die Frau von seiner Liebe zu überzeugen. Wieder kommt das kleine persönliche Liebes-Idyll in den Blick. Aber auf einmal weitet das Lied seinen Horizont und spricht von einem ganzen Königreich, durchdrungen von Liebe. Das ist sicher eine poetische Überhöhung, aber es zeigt: Die Liebe bleibt nicht im Kleinen, sie strahlt aus, sie zieht Kreise, sie verändert das Ganze. Daran hält Clapton fest. Darauf will er warten. Auch wenn es lange dauert. Auch wenn er sich damit für andere zum Narren macht.
Das kommt mir so bekannt vor: Warten auf das Königreich der Liebe – wo die Welt doch so voller Hass und Gewalt ist. Sich zum Narren machen, indem ich daran festhalte, dass die Welt nicht so bleiben muss, wie sie ist. Obwohl ich doch nichts anderes habe als diesen einen Menschen: Jesus. Der nicht einmal nach den Hebeln der Macht gegriffen hat. Vielmehr hat er sich einfach nur den normalen Leuten zugewandt. Denen, die wacker und mühsam ihren harten Alltag bestehen. Besonders den verarmten Tagelöhnern, den benachteiligten Frauen und den ausgegrenzten Kranken. Kurz: den Mühseligen und Beladenen. Sie hat er angesehen, wirklich angesehen – als Menschen. Ihnen ist er liebevoll begegnet – mehr nicht. Aber damit hat er ihnen einen Traum ins Herz gelegt. Den Traum, dass alle Menschen miteinander so umgehen können, wie er es tat. Dieser Traum ist nun in der Welt. Und von da ist er nicht mehr wegzukriegen. Bis heute und immer weiter stellt sich dieser Traum der Logik von Macht und Gewalt entgegen. Und oft – viel öfter als es manchmal scheint – wird dieser Traum auch gelebt.
Jesus geht den sanften Weg, den langen Weg der Geduld. Den einzigen Weg. Denn: Wohin führt der andere Weg? Mit Gewalt Konflikte lösen?! Das haben überdominante Männer und große Armeen schon so oft versucht. Und selten wirklich geschafft. Gewalt mag besiegen, aber sie kann niemanden von irgendetwas überzeugen. Dafür muss viel mehr passieren.
Darauf zielt Jesus. Er lebt seinem Traum von einem Leben in Liebe. Auch, wenn ihn das sein Leben kostet. Dann geschieht das Wunder. Gott greift ein. Er verwandelt Jesu Sterben in ein neues Leben. Aus einer Niederlage wird ein Sieg. Ein Traum? Nicht nur. Auch ein Zeichen, wohin sich Gott die Welt wünscht. Und eine Ermutigung für alle, die darauf setzen, dass die Welt veränderbar ist: „Change the World“.
Übrigens: Der Film „Phenomenon“, der mit dem Song von Eric Clapton endet, heißt auf Deutsch: „Das Unmögliche wird wahr“.