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Auksutat, Ksenija

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

Hoffnung (Palmsonntag)

Hoffnung (Palmsonntag)

I

Hoffnung hat man immer dann, wenn es noch gut werden kann. Oder könnte. Wenn man nicht weiß, wie etwas weiter geht. Dann jedenfalls ist es gut zu hoffen.

Auch die Aufständischen in Libyen, im Jemen und in vielen anderen Staaten des Nahen Ostens hoffen auf eine bessere Zukunft. In Tunesien fing es vor wenigen Monaten an.

Die Menschen dort protestierten, weil sie hofften, ihre Lebensverhältnisse verändern sich. Friedlich und ausdauernd kamen sie immer wieder zusammen. Sie waren viele, machten sich gegenseitig Mut, vertrauten der Kraft ihrer Argumente.

Ihre Hoffnung ging in Erfüllung, das Regime gab auf, das Land startet ganz neu. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Hoffnung und steckte andere an. Auch in anderen Ländern wollten sich die Menschen nicht mehr mit ihren Lebensverhältnissen abfinden.

In Ägypten wurde das Regime gestürzt, nachdem Männer und Frauen, junge und alte Menschen, ganze Familien, sich tagelang auf dem Tahrir-Platz versammelten.

In anderen Staaten des Nahen Ostens wird noch gerungen um den Ausgang der Bürgerproteste.

Aber in Libyen ist daraus ein blutiger Machtkampf entstanden. Und auch in Ägypten wurden vorige Woche Demonstranten von Regierungseinheiten beschossen und verprügelt.

In Tunesien ist längst nicht klar, wie sich das umsetzen lässt, was die Menschen fordern. So schnell, wie die meisten sich das erträumt haben, gibt es keine Arbeit, keinen Wohlstand.

Manche, die viel erhofft haben, resignieren vielleicht schon.

Was nützt es schon, zu hoffen, wenn am Ende doch alles beim Alten bleibt? Beinahe jeden Tag fliehen von Nordafrika aus junge Menschen zu Hunderten über das Mittelmeer nach Italien. Das heißt wohl auch, dass sie enttäuscht sind. Umsturz führt nicht so schnell zum besseren Leben. Sie hoffen: In Europa haben sie eine bessere Zukunft als in ihrer verarmten Heimat.

Erst himmelhoch jauchzend, dann zu Tode betrübt – solche Volksbewegungen gab es oft in der Geschichte. Heute am Palmsonntag geht es darum, dass auch Jesus große Hoffnungen bei den Menschen seiner Zeit geweckt hatte. Und dass sie zunächst bitter enttäuscht wurden.

II

Jubelnde Massen hatten Jesus in Jerusalem begrüßt. Der Wanderprediger und Wunderheiler kam mit seinen Freunden in die Hauptstadt des Landes, Jerusalem. Heute in den Gottesdiensten am Palmsonntag erinnern sich Christen daran.

Jesus galt als Wunder-Rabbi, als einer, der es den römischen Besatzern und ihren einheimischen Verbündeten zeigen würde.

Im ganzen Land hatten seine Anhänger kräftig Hoffnung geschürt. Doch dann wurde der vermeintliche Messias verraten und festgenommen.

Dem „Halleluja!“ folgte das „Kreuziget ihn!“ Nach einem Prozess vor den römischen Behörden wurde Jesus hingerichtet, am Kreuz. Und alle, die ihm zugejubelt hatten, waren schockiert, verzweifelt, verängstigt, enttäuscht.

Nach dem Tod von Jesus hatten seine Anhänger ihre Hoffnung begraben. Selbst seine besten Freunde zogen sich zurück und verstummten. Nicht mal zusammen zu kommen hatten sie sich getraut. Die Jünger waren vereinzelt und vielleicht auch verbittert. Wenn eine Hoffnung enttäuscht wurde, dann reagiert beinahe jeder gleich. Erst mal zieht man sich zurück.

Man trauert und verstummt. Fragt sich: War ich nur blauäugig und naiv? War meine Hoffnung nur eine Illusion, eine trügerische Erwartung?

Dann kommen die Widerstände in den Blick, die Ursachen für das Scheitern.

Bei den Freunden Jesu ist es nicht dabei geblieben. Mitten in ihrer Trauer sind sie Jesus wieder begegnet, in einem neuen Leben. Auferstehung nennen Christen seitdem das, was ihre Hoffnung wieder lebendig gemacht hat. Sie erinnerten sich daran, was ihr Hoffnungsgeber getan und gesagt hatte. Es war eben nicht alles aus. Der Mann, der sie mit seinen Worten und seiner Liebe begeistert hatte, war ihnen nahe geblieben. Da konnte auch ihre Hoffnung wieder erstehen.

Was ich heute von den Erfahrungen der Jünger lerne, ist dieser Blick zurück. Sich erinnern an Momente, als die Hoffnung aufkeimte.

III

Momente, als Hoffnung aufkeimte - dabei denke ich zum Beispiel an die verschütteten Bergarbeiter voriges Jahr in Chile. Sie wurden gerettet. Viele redeten davon, dass ihre Rettung wie ein Wunder war.

Aber das Wunder wurde nur möglich, weil so viele Menschen weiter gehofft haben: Die Bergleute in 700 Meter Tiefe gaben nicht auf. Sie hofften auf Rettung.

Die Angehörigen gaben nicht auf. Sie bestürmten das Unternehmen und viele andere Stellen, damit die Suche trotz der hohen Kosten nicht eingestellt würde.

Und die Techniker oben gaben die Suche nicht auf, sie bohrten immer neue Erkundungsschächte in den Boden. Sie arbeiteten hart, Tag und Nacht, vorsichtig und schnell gleichzeitig. Sie suchten sich Verbündete wie den Bürgermeister des Ortes und sogar den chilenischen Präsidenten. Sie baten um internationale Hilfe.

Es bleibt immer noch wunderbar, dass alle Männer heil gerettet wurden. Ohne alles, was hoffnungsvoll getan wurde, wäre das nicht möglich gewesen.

Hoffen heißt für mich, mutig zu werden und nicht gleich aufzugeben. Wer bei jedem Widerstand gleich die Flinte ins Korn wirft, hat nicht viel gehofft.

Ich hoffe, dass das auch für die Menschen in Nordafrika und im nahen Osten gilt. Ihr Mut soll nicht zerredet werden. Ihre Hoffnung auf Demokratie und ein besseres Leben sich nicht einfach auflösen.

An vielen Orten muss es darum Menschen geben, die etwas tun, damit diese Hoffnungen wahr werden. Dort in Tunesien, Ägypten und all den anderen Staaten genau so wie hier bei uns.

Die Gesellschaften in Nordafrika sind sehr jung. Zwar gibt es sehr gute Universitäten, aber an der Basis sind viele noch schlecht gebildet. Facharbeiter fehlen. Deshalb ist Bildung so wichtig.

Ein Projekt macht bereits Schule. Ein bunter Bus mit Solarzellen auf dem Dach tourt seit einem Jahr durch ganz Tunesien. Er macht jede Woche in einem anderen Ort und in einer anderen Schule Station.

In mehr als 100 Projekten haben Schüler und Lehrer inzwischen den Wasserverbrauch gesenkt, indem sie defekte Leitungen und tropfende Wasserhähne repariert haben und Regenwasser für das Bewässern von Grünflächen nutzen.

Damit solche Vorhaben gelingen, benötigen sie Geldmittel und Zusammenarbeit ebenso wie Wirtschaftsinvestitionen.

„Liebe wächst wie Weizen“, heißt es in einem Kirchenlied. Wer zuhause auf eine gute Zukunft hoffen kann, wird seine Heimat nicht so schnell verlassen. Diese Hoffnung zu stärken ist viel wichtiger, als Flüchtlingsströme abzuwehren. Dass dies wahr wird – das hoffe ich.