GOTTESDIENSTÜBERTRAGUNGEN
Auksutat, Ksenija

Ein Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

Gottesdienst am Ostersonntag

Gottesdienst am Ostersonntag

aus der Evangelischen Kirche in Darmstadt-Wixhausen

Liebe Gemeinde,

"Er ist erstanden von dem Tod, hat überwunden alle Not, Halleluja!" Dieser triumphierende Satz, den wir gerade gesungen haben, steht für das, was wir an Ostern feiern: Den Sieg des Lebens über den Tod. Aber es ist nicht so, dass wir in Ostern hineinspringen wie in eine neue, ganz andere Welt. In der alle Probleme gelöst sind und alle Fragen beantwortet sind. Was dunkel war, begleitet uns. Wir nehmen die Erfahrungen des Karfreitags mit in diesen neuen Tag. Krankheit bleibt Krankheit, Sorge bleibt Sorge, Trauer bleibt Trauer.

Und so beginnt auch die Ostergeschichte. Drei Frauen sind auf dem Weg zum Friedhof, Maria Magdalena, Maria und Salome. Wenn schon die Enttäuschungen gesiegt haben, dann wollen sie jetzt wenigstens noch das tun, was ihnen noch zu tun bleibt. Wenn jemand gestorben ist, will man sich kümmern, weil es die letzte Möglichkeit ist, ihm oder ihr einen Dienst zu erweisen. Man will mit seiner Trauer einen Ort  haben, an dem man dem geliebten Menschen nah sein kann.

Die Frauen damals hatten wohlriechende Öle gekauft, um Jesu Leichnam zu salben. Und sie waren besorgt, jemanden zu finden, der den großen Stein wegwälzen konnte. Denn damals lag der Leichnam in Tücher gewickelt in einem Felsengrab. Heute geht man vielleicht mit einer Gießkanne, einer Harke oder frischen Blumen auf den Friedhof. Wenn schon der Tod Unordnung ins Leben gebracht hat, ist es doch wohltuend, wenn auf dem Friedhof Ordnung ist. Und das gibt es ja oft: Menschen, die auf dem Friedhof am besten Zwiesprache mit ihren Verstorbenen halten können. Die ihnen Geschichten erzählen und fast wie in ein Gespräch mit ihnen kommen.

Schlimm ist es, wenn diese Ordnung gestört und diese Zwiesprache nicht möglich ist. Wie das zum Beispiel der Fall ist, wenn jemand vermisst wird, wenn Menschen über Jahre und Jahrzehnte gewartet haben. Nicht mehr auf ein Lebenszeichen, aber wenigstens auf eine Nachricht über den Ort des Grabes.

Deshalb wundert es nicht, dass die drei Frauen, die auf dem Weg zum Grab Jesu sind, zuerst einmal erschrocken sind. Dass der Stein weg ist, machte es ja erst einmal leichter. Aber dann gehen sie hinein und sehen auf der einen Seite der Höhle einen jungen Mann in einem weißen Kleid und  auf der anderen Seite, da, wo der Leichnam war, nur noch einige Tücher. Es kann nicht verwundern, dass sie entsetzt sind und sich fürchten, weil nichts mehr in Ordnung ist. Weil sie nicht mal auf dem Friedhof Platz für ihre Trauer finden. Ostern beginnt mit einer großen Verunsicherung. Aber damit hört Ostern nicht auf. Das ist nur der Anfang.

Ostern beginnt mit einer Verunsicherung, aber sie ist der Anfang von etwas Neuem. Dass sich dieser seltsame Jüngling in weißen Kleidern als Engel entpuppt, zeigt sich erst an dem, was er zu sagen hat. Er sagt: „Dass ihr Euch fürchtet, kann ich gut verstehen. Aber eure Furcht ist unnötig! Denn ihr sucht ihn am falschen Ort. Jesus ist nicht hier. Und deshalb geht wieder zurück! Sagt allen Bescheid, die ihn kennen und lieben! Und geht dahin, wo mit ihm alles angefangen hat. Dort werdet Ihr ihn finden!“

Liebe Gemeinde, alle unsere festlichen Lieder und unser Halleluja singen wir an Ostern nicht, weil plötzliche eine fantastische Gestalt wie in einem Märchen vor unseren Augen erscheint. Sondern der Engel lenkt unsere Schritte woanders hin als auf den Friedhof. Wir sollen nicht zu den Toten gehen, wenn wir das Leben suchen. Wenn wir uns von diesem Engel sozusagen \"umdrehen\" lassen, dann werden wir das Wunder der Auferstehung ahnen.

Es ist ja nicht zufällig, dass der Engel sie nach Galiläa schickt, um den lebendigen Jesus zu sehen. Dort hatte alles angefangen. Dort hat er sie zu Jüngern gemacht. Dort hat Jesus Menschen satt gemacht. Er hat dort Kranke geheilt und er hat Sünden vergeben. Dort hatten sie schon eine Ahnung gehabt, wie es ist, wenn Gott mitten unter uns Menschen ist. Wenn die Liebe gewinnt über den Hass und die Versöhnung über den Streit.

Und dorthin, genau dorthin, lenkt er an diesem Ostertag auch unsere Schritte. Schaut heute weg von den Gräbern! Schaut dorthin, wo ihr eine Ahnung bekommen habt und wieder bekommen könnt, wo Gott unter den Menschen lebt! Wo das Leben gewinnt und nicht der Tod. Es kann einem ja passieren, dass sich ein Streit auflöst und wir voreinander stehen und in die Augen schauen und fragen: Was haben wir eigentlich gemacht die ganze Zeit? War das wirklich richtig und wichtig? Wollen wir neu beginnen? Natürlich erfordert das auch eigene Anstrengungen und einen neuen Blick. Aber es ist trotzdem ein Wunder.

So kann es auch sein, wenn Menschen tiefe Krisen in ihrem Leben durchmachen. Wenn Menschen sich kaum noch etwas zutrauen, dann brauchen sie jemanden, der ihnen sagt: Wo schaust du eigentlich hin? Nur auf den Friedhof deiner Schwächen und Ängste, deiner Enttäuschungen und Verluste? Geht zurück! Geh in deinen Erinnerungen an die Orte und in die Zeiten zurück, wo deine Beziehungen zu einem anderen anfingen. Wo du glücklich warst, Mut und Kraft hattest.

Wer den Friedhof der Vergangenheit verlässt, wer sich auf den neuen Weg begibt, an Orte, wo das Leben gewonnen hat und nicht der Tod, für die, für den kann sich neu erfüllen, was verloren schien: Das Leben nach dem Tod. Nicht Auferstehung, aber eine Ahnung davon.

Zu Ostern erzählen wir uns Geschichten von neuen Richtungen in unserem Leben. Weg vom Friedhof. Wir haben vorhin Menschen gehört, die davon gesprochen haben: Wie sie wieder Mut gefasst haben nach langer Trauer um einen geliebten Menschen. Dass sie neue Möglichkeiten für sich im Ruhestand gefunden haben, die sogar vielen anderen gut tun. Dass sie einen wichtigen Schritt in der Ausbildung gemacht haben, der zuerst Angst gemacht hat, der aber auf einen guten Weg geführt hat.

Gott weist diesen Weg nicht so, indem er ein Problem einfach ungeschehen macht. Sondern Gott ist Wegbegleiter, der dabei hilft, die schwierigen Wegstrecken zu meistern. Gott schenkt die Hoffnung, damit man nicht im Leid steckenbleibt. Ostern heißt: Jesus, geht uns voran in solchen menschlichen Erfahrungen. Wir finden ihn selbst dort, wo wir noch mitten in der Krise sind. So, wie Jesus durch Angst und Pein hindurch gegangen ist, durch den Tod zum Leben.

An Ostern bleibt also der Tod unser Weggenosse. Immer noch gibt es Leiden, Enttäuschungen, Brüche.  Immer noch sind nicht alle Fragen beantwortet. Und gleichzeitig schauen wir auf den Sieg des Lebens. Die Sorge weicht, wenn man sich abwendet von dem, was einen ängstigt und lähmt. Wenn man sich zurück erinnert an das, was im Leben gewesen ist an Schönem und an Freude. In jedem Menschen steckt von Kindheit an die Verheißung, dass Gott jeden und jede einzelne mit Licht und Liebe erfüllt. Befähigt zum Lachen und Teilen, zum Lieben und Geliebt werden, zum Geben und Nehmen. Dies gilt an jedem Tag neu.

Und darum sollen wir tun, was die Frauen der Bibel an diesem Ostermorgen getan haben. Sie haben sich abgewendet vom Grab und sind zurückgegangen ins Leben. Dahin, wo Jesus ihnen gezeigt hat, was Gott mit den Menschen vorhat: heilen, trösten, verzeihen. Sich selbst und anderen ein Leben eröffnen, auch wenn es in einer Sackgasse steckte.

Deshalb ist Ostern der Tag der Hoffnung: Ostern ist die Verheißung, dass einmal für alle gelten wird, was wir heute feiern. Dass er, der Lebendige, uns mitnimmt ins Leben, ein Leben, das das Elend nicht mehr kennt. Das hoffen wir für uns und für die ganze Welt. Dass auch die Natur, die ganze Schöpfung, erlöst wird. Dass Unterdrückung, Terror und Hunger ein Ende haben werden. Dass für alle sichtbar wird, woran wir jetzt glauben.

Und Ostern ist darüber hinaus die Verheißung  für unser Leben: Alle Tränen werden abgewischt und der Tod wird nicht mehr sein noch Leid und Geschrei. Wir hoffen auf den Tag, an dem wir das sehen werden. Und gehen getröstet auf unserem Weg bis dorthin.