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Freizeitstress
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Freizeitstress

Dr. Ursel Wicke-Reuter
Ein Beitrag von Dr. Ursel Wicke-Reuter, Evangelische Pfarrerin, Vellmar
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Ein Liegestuhl mitten in der Innenstadt. Daneben ein Schild: Machen Sie es sich bequem! Ein paar Journalisten wollen wissen: Wie lange halten es die Leute aus, einfach nur im Liegestuhl zu sitzen, ohne Beschäftigung – nicht auf das Handy schauen, nicht lesen? Einer schafft es auf drei Minuten, die anderen sind schnell wieder weg. Offenbar ist es gar nicht so einfach mal abzuschalten und nur den eigenen Gedanken nachzuhängen. Fast alle sind so in Anspruch genommen von den Aufgaben des Alltags, von Beruf und Familie, von WhatsApp und Instagram. Da bleibt kein Raum für entspanntes Nichtstun.

Das Verrückte ist: in der Freizeit setzt es sich fort. Ein Grillfest in der Nachbarschaft, das Kulturzelt in der Stadt, Kirmes, Open-Air-Kino. Großartige Angebote, keine Frage. Aber bei der Fülle fällt es einem schwer, mal was auszulassen und eine Pause einzulegen. Und selbst für die Pausen gibt es Programm – Meditation, autogenes Training, Yoga.

Bei zu viel Freizeitstress fehlt die Erfüllung

Freizeitstress nennt man das, oder „Fomo“ „Fear of missing out“ – die Angst etwas zu verpassen.

Ich kenne das – und frage mich: Verpasse ich nicht gerade dann etwas, wenn ich damit beschäftigt bin, nichts zu verpassen?

Laufe ich ständig von Veranstaltung zu Veranstaltung, fehlt mir die Zeit, die Erlebnisse auf mich wirken zu lassen. Vieles rauscht vorbei, ohne dass es einen Abdruck bei mir hinterlässt. Nach kurzer Zeit weiß ich gar nicht mehr, was ich alles erlebt habe. Ich verliere das Gefühl für meine eigenen Bedürfnisse und die Freiheit zu entscheiden, wonach mir der Sinn steht. Dabei möchte ich mich in der Freizeit doch erholen von Zeitdruck und Zwängen. Manchmal frage ich: Wo finde ich die Stopptaste?

Zwischenräume geben Erholung

In Hessen beginnen am Samstag die Schulferien und für viele Berufstätige der Urlaub. Das ist die Gelegenheit, die Stopptaste zu drücken. Egal ob auf dem Balkon zu Hause oder weit weg am Meer: Diese Auszeit unterbricht den üblichen Trott, der Termindruck fällt weg. Durchatmen ist für die meisten angesagt, in den Tag hineinleben – und natürlich was Spannendes unternehmen. Im Urlaub geht das ohne Hektik, ohne Zeitdruck. Man kann einfach mal Lücken lassen im Programm, Zwischenräume nicht gleich ausfüllen.

Ich bin ein Fan solcher Zwischenräume. Da erlebe ich die größten Überraschungen. Ich bekomme neue Ideen oder Klarheit über eine Frage, die mich schon länger umtreibt. Es entstehen unerwartete Gespräche. Ich komme zur Ruhe und erhole mich – und denke nicht daran, was ich alles verpassen könnte.

In der Bibel lese ich: „Zur Freiheit hat euch Christus befreit. (Galater,5,1) Diese Freiheit möchte ich mir zurückholen, wenigstens im Urlaub.

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