
Start in die Fastenzeit
Drei Tage ist er jetzt her, der Aschermittwoch. Am Aschermittwoch, das weiß der Volksmund, da ist alles vorbei. Aber es ist wie bei jedem Ende – wenn Fastnacht aufhört, fängt etwas Anderes an.
Die Fastenzeit beginnt
Heute ist der erste Sonntag der Fastenzeit, bis Ostern folgen noch fünf weitere, bis auch diese Zeit in der Nacht zum Ostersonntag endet und wieder ein Fest gefeiert wird. Viele Leute gehen die Fastenzeit etwas leiser und bescheidener an.
Und auch in den Gottesdiensten der Kirchen geht es zurückhaltender zu. Auf manches wird verzichtet und die liturgische Farbe, also die Farbe der Gewänder und anderer Textilien, wechselt zu violett.
Violett
Violett, das ist die Farbe der Erwartung, der Vorbereitung und der Umkehr. Was erwartet wird, ist im kirchlichen Kontext klar: es geht um Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu Christi. Es ist das höchste christliche Fest, deshalb braucht es auch eine besondere Vorbereitung.
Die sieben Wochen Fastenzeit sind extra dafür da, dass ich mir Zeit nehme und mich auf das Fest vorbereiten kann. Es gibt viele Möglichkeiten, diese Zeit zu gestalten, ich kann mir einfach eine davon aussuchen.
Fasten und Verzicht
Für viele Menschen ist der Name der Zeit Programm, es geht ums Fasten. Das hört sich immer zuerst nach Verzicht an, Verzicht auf Süßes, Fleisch, Alkohol oder andere Genussmittel.
In den letzten Jahren sind aber neben Essen und Trinken auch andere Lebensbereiche in den Blick gekommen. Manche Menschen lassen in der Fastenzeit das Auto stehen oder den Fernseher aus, manche melden sich auch für die Zeit von sozialen Medien ab. Sie tun damit bewusst etwas für ihre Gesundheit, für die Umwelt oder um ihre Freizeit anders zu gestalten.
Der Verzicht schafft Zeit und Raum für andere Dinge, für Bewegung im Freien, für Zeit zum Spielen oder Reden mit der Familie oder Freunden oder auch zum Lesen, Musikhören, Spazieren, Beten – die Liste lässt sich beliebig verlängern. Durch das Fasten wird der Alltag nicht nur frei von etwas, auf das ich verzichte, sondern er wird auch frei für etwas, für etwas Neues – oder vielleicht auch für etwas, von dem ich schon vergessen hatte, wie lieb es mir war.
Musik
Gewohnheiten auf dem Prüfstand
In der Fastenzeit kann ich Gewohnheiten auf die Probe stellen. Ich habe mir in diesem Jahr vorgenommen, mehr auf meine Fernsehgewohnheiten zu achten. Nach einem langen Arbeitstag tappe ich immer mal wieder in die Falle, einfach den Fernseher anzumachen und mich berieseln zu lassen. Manchmal ist es ein angenehmer Ausgleich, aber oft hält es mich auch von anderen Dingen ab.
In den sieben Wochen der Fastenzeit kann ich ausprobieren, was ich stattdessen tun kann. Es geht mir nicht darum, dass Fernsehen in dieser Zeit verboten ist und ob ich mir Konsequenzen überlege, wenn ich es doch tue. Die Frage ist eher: Was wird aus meiner Zeit, wenn ich sie nicht auf der Couch verbringe? Ich kann in den sieben Wochen einfach neue Wege gehen, sozusagen zur Probe.
7 Wochen ohne
In diese Richtung geht auch die Fastenaktion der evangelischen Kirche. Seit vielen Jahren gibt es die Aktion „7 Wochen ohne“. Dabei wird nicht auf etwas Materielles verzichtet, sondern meist auf eine innere Haltung, oder vielleicht auf Handlungsmuster, mit denen ich immer wieder auf eine Situation reagiere, ohne groß nachzudenken, wie zum Beispiel: Ausreden finden, die Wahrheit beschönigen oder das Schlimmste annehmen.
Dieses Jahr: "Luft holen-7 Wochen ohne Panik"
Im Motto steckt dann auch ein Vorschlag, was ich alternativ tun könnte. So wurde zum Beispiel 2020 zur Zuversicht aufgerufen – 7 Wochen ohne Pessimismus. Im letzten Jahr hieß die Einladung „Komm rüber“ – 7 Wochen ohne Alleingänge. Dieses Jahr lautet das Motto: „Luft holen“ – 7 Wochen ohne Panik.
Sieben Wochen, ohne dass ich unter Druck blindlings loslege, ohne dass mich Ereignisse und Meinungen vor sich hertreiben. Sieben Wochen, in denen ich eine kurze Denk- und Atempause einlege, bevor ich mit etwas loslege. Diesen Denkanstoß nehme ich gerne mit in die kommende Zeit.
Die soziale Komponente des Fastens
Und ich finde es auch gut, dass es bei der Aktion nicht nur mich als Einzelne geht. Wie ich handle, hat nicht nur Folgen für mich, sondern auch für mein Umfeld. Es gibt also eine soziale Komponente. Das erinnert mich daran, was mir jemand über den Ramadan erklärt hat, der ja auch vor kurzem begonnen hat. Entweder, ich faste selbst und mache mir bewusst, dass es ein Geschenk ist, dass ich genug zu essen habe – und dass es nicht allen so gut geht. Oder ich gebe Almosen, fülle also jemand anderem den Teller.
Fasten soll nicht nur mir guttun, sondern auch anderen Menschen, ja sogar der ganzen Gesellschaft. Das steht auch beim Propheten Jesaja in der Bibel. Da gibt es eine Gegenüberstellung: auf der einen Seite steht das Fasten, wie es damals Tradition war. Man kleidet sich in einen Sack, streut sich Asche aufs Haupt und lässt in Demut den Kopf hängen.
Aber bei den Menschen, die Jesaja kennt, passt diese äußere Haltung nicht zur inneren: Die Menschen streiten, haben nur ihren eigenen Vorteil im Sinn und beuten ihre Arbeiter aus. Wer sich so verhält, kann fasten, soviel er will, Gott wird ihn nicht erhören, so der Prophet. Das wirklich gute, wirkungsvolle Fasten, das Fasten, wie Gott es sich vorstellt, sieht anders aus.
Musik
Klare Kante gegen Unrecht
Wenn‘s ums Fasten geht, kann die Bibel ganz schön streng sein. Sich einfach nur an alle Regeln halten, das reicht nicht. Ein Fasten, wie Gott es wünscht, wie es beim Propheten Jesaja formuliert ist, das erkennt man an anderen Dingen: Die Menschen sollen die Fesseln des Unrechts lösen und Unterdrückte freilassen. Sie sollen ihr Brot mit den Hungrigen teilen, Obdachlose aufnehmen, Nackte Bekleiden und für die eigene Familie sorgen. Es geht also vor allem darum, sich nicht aus der Verantwortung zu mogeln. Wenn ich Unrecht erkenne, soll ich mich dagegen einsetzen, wo auch immer es mir begegnet.
Die Fastenaktion von Misereor
In diese Richtung geht auch die Fastenaktion des katholischen Hilfswerks Misereor. In diesem Jahr heißt das Motto: „Auf die Würde. Fertig. Los!“ Im Fokus steht eine Bevölkerungsgruppe in Sri Lanka, die als Plantagenarbeitskräfte vor rund 200 Jahren ins Land kam und bis heute Tee pflückt, meistens für einen Hungerlohn. Damals haben sie für die britische Kolonialmacht gearbeitet, heute für die Besitzer der Plantagen.
Aus eigener Kraft gelingt es nur wenigen, aus den Abhängigkeiten von den Arbeitgebern und Landbesitzern auszubrechen. Misereor unterstützt lokale Organisationen, die den Menschen helfen, sich zu vernetzen. Sie klären sie über Rechte auf, die sie gegenüber dem Staat und ihren Arbeitgebern haben und unterstützen sie bei der Existenzgründung.
Auf die Würde. Fertig. Los!
Der Titel der Aktion erklärt sich aus einer Schlüsselerfahrung, die die Mitarbeitenden vor Ort immer wieder machen: Wenn die Menschen begreifen, dass sie eine Würde haben, die ihnen zusteht, die niemand ihnen nehmen darf, dann fangen sie an, für sich selbst einzutreten. Wer das Gefühl hat: Ich bin nichts wert, ich darf mich nicht einbringen und meine Gefühle zählen nicht - so jemand kann leicht herumgeschubst und ausgebeutet werden.
Genau dagegen wendet sich auch der Prophet Jesaja in der Bibel. Er ruft dazu auf, sich, gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu wenden – und sich dafür einzusetzen, dass Menschen gestärkt werden, dass sie Mut bekommen und Anerkennung erfahren.
Fasten, wie Gott es sich wünscht
Das hört sich vielleicht für uns heute auf den ersten Blick nicht nach Fasten an. – Da wird ja nicht wirklich verzichtet, höchstens auf die eigene Bequemlichkeit. Aber genau das ist es, das Fasten, wie Gott es sich wünscht, wie es in der Bibel heißt. Und ich kann es anwenden auf meine Fastenvorsätze. Statt einfach auf Süßes oder Fleisch kann ich auf Lebensmittel verzichten, bei deren Produktion Menschen oder Tiere ausgebeutet werden. Anstatt Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen, kann ich mich sozial engagieren oder auch einfach jemanden besuchen, der lange keinen Besuch hatte. Ich kann auch jemand traurigen ermutigen, bei jemand zornigem bleiben, bis er sich beruhigt hat, und jemanden, der an seinem Selbstwert zweifelt, mit Respekt behandeln.
Das ist ein Fasten, wie Gott es sich wünscht, eine gute Vorbereitung auf Ostern.