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Ein Adventslied gegen die Hoffnunglosigkeit
Bild: Nastco_GettyImages

Ein Adventslied gegen die Hoffnunglosigkeit

Uwe Groß
Ein Beitrag von Uwe Groß, Katholischer Diakon, Pfarrei St. Peter und Paul, Wiesbaden
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Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine Zeit, in der so viel gesungen wird wie zu kaum einer anderen Jahreszeit. Ein Kirchenlied, das es mir so richtig angetan hat, ist „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ von Philipp Nicolai. Seit ich die Geschichte dazu kenne, berührt mich das Lied ungemein.

Der Totengräber ist rund um die Uhr unterwegs

Es muss im Jahr 1597 gewesen sein. Pfarrer Philipp Nicolai sitzt wie so oft mit einem Obdachlosen am Abendtisch. Nach dem Essen erwähnt sein Gast, fast beiläufig, dass er am Stadtrand, im Stadtgraben viele verendete Ratten gesehen hat. Völlig erschrocken lässt sich der Pfarrer sofort dort hinbringen. Er weiß, was das Massensterben von Ratten bedeutet: Die Pest kommt. Und wirklich: Bald schon wütet sie in Unna in Westfalen. Ganze Stadtteile werden hinweggerafft.100, 200 Menschen müssen pro Tag beerdigt werden. Tag für Tag, Nacht für Nacht ist der Totengräber unterwegs. Von weitem warnt das Pestglöckchen an seinem holprigen Karren die Menschen vor der tödlichen Krankheit. Bald stirbt auch die Frau des treuesten Helfers von Pfarrer Nicolai, des Kirchendieners Veith. Veith gibt seinen kleinen Sohn Jörg in die Obhut des Pfarrers.

Jetzt braucht es Hoffnung trotz aller Hoffnungslosigkeit

Philipp Nicolai bricht fast zusammen vor Arbeit und Sorge. Wieder einmal sitzt er übermüdet, erschöpft und verzweifelt an seinem Schreibtisch. Er hadert mit Gott und seiner eigenen Ohnmacht. Da tritt der kleine Jörg an ihn heran und fragt ihn tröstend: „Sag, warum bist du so traurig? Hast du nicht gepredigt, dass Christus uns rufen wird und uns zum großen Fest einlädt, wie zu einer Hochzeit. Wie können wir darüber traurig sein?“ Die einfachen Worte des Kindes machen Pfarrer Nicolai deutlich: Das, was jetzt gefragt ist, ist Hoffnung trotz aller Hoffnungslosigkeit, gerade auch für die Menschen, die von der Pest betroffen sind.  In derselben Nacht noch kann der Pfarrer sich hinsetzen und - umgeben von Dunkel, Tod und Leid - ein mutiges und frohes Adventslied schreiben. „Wachet auf, ruft uns die Stimme der Wächter, wach auf, du Stadt Jerusalem, der Bräutgam kommt - macht euch bereit zu der Hochzeit ihr müsset ihm entgegengehen.“

Der Mut, auch in Krisenzeiten die Hoffnung nicht aufzugeben

Seit ich weiß, wie dieses Lied entstanden ist, ist es für mich zu einem Lied der Hoffnung geworden. Auch bei mir ist es manchmal so aus: Ich fühle mich kraftlos und leer. Dunkle Gedanken, Angst und Traurigkeit scheinen meine letzten Kräfte zu lähmen. Ich fühle mich ohnmächtig. Und das ist ja nicht nur im privaten Leben so, auch angesichts der Probleme von Krieg, Umweltzerstörung und Hass in der Politik, kommt mir öfters der Gedanke der Ohnmacht und auch Hoffnungslosigkeit. Dann denke ich an den kleinen Jörg, der mitten in der Gefahr, den Pfarrer Nicolai dazu aufruft, den Menschen Mut und Hoffnung zu geben. Ja, ich glaube nur Mut und Hoffnung können helfen, die Welt besser zu machen.

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