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Ein Wald wächst aus der Wüste
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Ein Wald wächst aus der Wüste

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Das Leben ist ein Kampf gegen Windmühlen, denke ich oft. Wenn im Haushalt vieles immer von Neuem losgeht und ich zum Beispiel jeden Morgen neu Kleidung und Spielsachen zurückräumen muss.

Klimaschutz: Ein Kampf gegen Windmühlen

Viel schlimmer aber ist der Kampf gegen Windmühlen beim Klimaschutz. Seit Jahrzehnten wissen wir, wie dramatisch es um die Erde steht. Erst jetzt, wo Gas und Strom knapp und teuer sind, fangen viele an zu sparen. Ich inklusive.

Ich benutze jetzt auch statt Flüssigwaschmittel Waschmittelstreifen ohne Verpackung und Mikroplastik, und ich spare Wasser. Aber selbst wenn ich einiges richtig mache, wird das wirklich den Lauf der Dinge aufhalten?

Der Mann mit den Bäumen

Ich brauche Vorbilder und Mutmach-Geschichten. Zum Beispiel ein kleines Buch des französischen Schriftstellers Jean Giono. Er hat eine wahre Geschichte aufgeschrieben. Sie heißt: Der Mann mit den Bäumen. Ein Schäfer, Mitte fünfzig, ist vom Leben enttäuscht und zieht sich in die Einsamkeit der Cevennen im Süden Frankreichs zurück. Die Gegend ist fast ausgetrocknet, wie eine Steppe. Viele verlassen ihre Dörfer, denn hier kann man nicht mehr arbeiten oder leben.

Eichen pflanzen - Tag für Tag

Der Schäfer fasst den Entschluss, ganz allein gegen den Lauf der Dinge anzukämpfen. Er sammelt einen Sack voller Eicheln, prüft sie sorgfältig und sortiert die Eicheln aus, die zu klein oder rissig sind. Dann legt er die guten in einen Eimer Wasser, damit sie sich vollsaugen. Er zieht mit einer Eisenstange los. Sucht geeignete Stellen, gräbt mit der Eisenstange ein Loch, legt eine Eichel hinein und drückt das Loch mit Erde wieder zu. So pflanzt er Eichen, Tag für Tag. Woche um Woche. Er hofft, dass in der kargen Landschaft von zehn gepflanzten Bäumen einer durchkommt. Er macht unbeirrbar weiter, bei Wind und Wetter, ganz allein.

Mit kleinen Schritten eine Veränderung bewirken

Zwischen 1910 und 1945 pflanzt Elzéard Bouffier, so heißt der einsame Schäfer, hunderttausende Eichen, später auch Buchen, Ahorne, Birken, Erlen und Ebereschen. Er macht weiter, auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

Und doch: Die Gegend verändert sich. Zuerst langsam und unbeachtet. Doch die Bäume wachsen. Die Wurzeln halten den Regen fest und wirken wie Wasserspeicher. Ausgetrocknete Bachbetten füllen sich wieder. Wiesenblumen wachsen. Insekten und Vögel kehren zurück. Und dann kommen auch die Menschen wieder. Verfallene Häuser werden aufgebaut. Junge Familien ziehen in die Gegend.

Ein erfolgreicher Kampf gegen Windmühlen

Als der Schäfer mit 89 Jahren stirbt, hat er einen der schönsten Wälder Frankreichs geschaffen. Und kaum einer weiß, wem dieses Glück zu verdanken ist. Der Kampf gegen Windmühlen: Elzéard Bouffier hat ihn gewagt und gewonnen.

Nicht immer gehen gepflanzte Samen auf. Nicht immer gewinnt das Gute. Mein Einsatz für Klimaschutz im Alltag ist nur ein kleiner Beitrag. Aber ich will ihn trotzdem leisten. Und ich glaube: Gott steht dabei an meiner Seite und flüstert mir zu: „Ich sehe, was Du versuchst. Auch, wenn du glaubst, es hat keinen Sinn, mach bitte weiter.“

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