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Ein Licht für Putin
GettyImages/Ridofranz

Ein Licht für Putin

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt
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Es ist ein Ritual jeden Morgen in der Grundschule in Südhessen: Die Kinder sitzen im Kreis. Wer mag, zündet eine Kerze an, stellt sie in die Mitte und sagt, wofür die Kerze brennt. Manche Kinder, die schon immer hier zuhause sind, widmen ihr Licht den Kindern in der Ukraine. Es gibt auch Kinder, die neu in der Klasse sind, weil sie aus der Ukraine geflüchtet sind. Sie denken an ihre Mütter, an die vielen Toten, oder den Onkel, der die Oma aus Kiew geholt hat.

"Mein Licht brennt für Putin"

Auf einmal sagt ein Junge: “Mein Licht brennt für Putin“. Die Kinder halten den Atem an, die Lehrerin auch. Sie fragt den Jungen: „Willst du uns sagen, warum, Juri?“ Und der antwortet: „Weil er der Präsident ist. Der ist cool.“ Die Lehrerin wendet vorsichtig ein: „Auch Präsidenten können sich schlecht benehmen.“ Jetzt durchbrechen auch die Kinder das Ritual. Irina ruft: “Wegen dem ist Krieg!“ Juri sagt: „Nein, das machen die USA. Das hab‘ ich im Fernsehen gesehen“. So verteidigt Juri seinen Beitrag zum Morgenritual. 

Unterschiedliche Bilder vom Krieg

Die Lehrerin erzählt mir hinterher: „Da stand ich schon ziemlich ratlos da. Juri hatte zuhause im russischen Fernsehen gesehen, was sein Bild vom Krieg ausmacht. Und andere Kinder hören das, was ihre Eltern sagen oder auf Nachrichten für Kinder in der ARD oder auf KiKa.“ Die Lehrerin sagt weiter: „Im Morgenkreis ist nicht der Ort, den Grundschulkindern ausführlich den Unterschied von freier Presse und Propaganda zu erklären. Auch wenn der richtige Umgang mit Medien in der Schule natürlich seinen Ort haben muss.“  

Zuhören und austauschen

Ich finde es gut, was da in der Klasse passiert ist. Der Morgenkreis lehrt etwas Wichtiges: Es gibt Räume und Orte, da können wir uns austauschen. Da höre ich erst mal zu, selbst wenn ich nicht einer Meinung bin. Da frage ich vielleicht nach und will verstehen. Urteilen und meine Meinung sagen kann ich irgendwann, aber zuerst will ich im Gespräch bleiben.

"Das Licht soll für Putin brennen, damit in seinem Kopf gute Gedanken wachsen"

Ich finde: Das ist ein Vorbild fürs Reden bei der Arbeit oder im Freundeskreis. Und es hat mich beeindruckt, was die Lehrerin am Schluss erzählte. Als Juri gesprochen hatte und andere ihm widersprochen haben, hat ein Mädchen, Nina heißt sie, ihre Kerze in die Mitte gestellt und gesagt: „Das Licht soll für Putin brennen, damit in seinem Kopf gute Gedanken wachsen.“

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