Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Reden ist Gold: Aufarbeitung des Missbrauchs

Reden ist Gold: Aufarbeitung des Missbrauchs

Clemens Weißenberger
Ein Beitrag von Clemens Weißenberger, Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt
Beitrag anhören:

Schweigen ist Gold. Wie falsch der Volksmund liegen kann, habe ich in den letzten zwei Wochen wieder einmal gedacht. Ich finde: Wenn es um die Aufarbeitung des Missbrauchs in der katholischen Kirche geht, wurde deutlich zu lange geschwiegen.

Der Mantel des Schweigens

Schweigen herrschte Opfern gegenüber. Zum Teil wurde Einzelnen mitgegeben, sie sollen doch an den Pfarrer und seinen Ruf denken, wenn sie öffentlich machen, was ein Verbrechen war. Personalverantwortliche legten den Mantel des Schweigens über die Tat und die Täter. Täter wurden versetzt, oft mehrfach.

Opfer mit Schweigen vor den Kopf gestoßen

Erzbischof Marx bat in der Pressekonferenz am Donnerstag um Entschuldigung. Er sagte: "Hätte ich noch mehr und engagierter handeln können? Sicher, ja." Ich frage mich: Warum hat er das nicht gemacht? Er hat Opfer mit Schweigen vor den Kopf gestoßen statt zuzuhören und zu helfen. Auch, indem Täter benannt und bestraft werden. Wenn Betroffene jetzt diese Entschuldigung nicht annehmen, kann ich das gut verstehen.

Täter geschützt und versetzt

Auch der Öffentlichkeit gegenüber herrschte lange Schweigen. Als der Jesuit Klaus Mertes 2010 den Missbrauchsskandal öffentlich machte, hätten Verantwortliche und Betroffene in der katholischen Kirche viel mehr miteinander reden müssen und es veröffentlichen. Auch über die strukturelle Schuld hinter dem Skandal. Obwohl vieles angestoßen wurde, ist mir das zu wenig. Ich sehe noch immer eine Halbherzigkeit, die mich ärgert. Jetzt werden wieder einmal Konsequenzen und Personalentscheidungen angekündigt. Ich frage mich, wieso erst jetzt? Welche Priester Kinder und Jugendliche missbraucht haben, wer damals Entscheidungen getroffen hat, Taten vertuschte, Täter schützte und versetzte, das ist doch bekannt.

Die Betroffenen sehen und wahrnehmen

Am schlimmsten fand ich am Donnerstag die Äußerung von Kardinal Marx: "Die größte Schuld besteht für mich darin, die Betroffenen übersehen zu haben." Ich sage dazu: Ein echtes Armutszeugnis. Da hat mich richtig die Wut gepackt. In meiner Arbeit als Seelsorger ist mir das Wichtigste neben dem Reden: zuzuhören. Bei Missbrauch müssen jetzt erst Recht Opfer gehört werden, müssen Betroffene wahrgenommen werden, und sie brauchen Hilfe.

Wirkliche Reformen

Und ich glaube: Es braucht auch noch etwas anderes: Wir brauchen in meiner katholischen Kirche eine andere Kultur des offenen Redens, auch über sexualisierte Gewalt. Ich hoffe da wirklich auf Reformen und ganz neue Wege. Damit es solche systematischen Missbrauchsvertuschungen in Zukunft nie mehr geben wird.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren