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Wo fängt der Himmel an?
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Wo fängt der Himmel an?

Stefan Herok
Ein Beitrag von Stefan Herok, katholischer Pastoralreferent i.R. in der Pfarrei St. Bonifatius, Wiesbaden
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Guten Morgen und einen schönen Feiertag!

Heute ist ja Christi Himmelfahrt - und Vatertag!

Letzterer gefällt mir am besten, wenn Väter von ihren Lieben für ihr aktives Vatersein gefeiert werden. Ähnlich wie Muttertag! Die beliebte Praxis, an „Vatertag“ in Männergesellschaft mit Leiterwagen auf Tour zu gehen, das ist nicht so mein Ding. Es erinnert mich zu sehr an die Art von Vater, der wegen „Arbeit, Verein, Partei…“ ohnehin wenig zuhause ist - oder war. Denn vielleicht gibt’s diese „familienferne VaterArt“ heute ja gar nicht mehr? Ich habe da nicht so den Überblick… Also, in Sachen Vatertag: jeder, wie er mag…

Ich möchte Blick und Gedanken auf Christi Himmelfahrt lenken… Ich weiß, für viele Leute sind schon Jesus, Glaube und Kirche „unendlich weit weg“. Und dann erst der Himmel…

Aus der Sicht einer Ameise…

Darum frage ich: Wo fängt er eigentlich an, der Himmel? Ich meine das nicht symbolisch und zunächst auch nicht religiös. Wo fängt der Himmel an? Ja, der mit Luft und Wolken, mit Sonne, Mond und Sternen? Aus der Perspektive einer Maus z.B. oder noch ein paar Dimensionen kleiner, einer Ameise, da muss der Kopf eines aufrecht stehenden Menschen ähnlich weit weg erscheinen, wie für uns Menschen der Mond. Und die Spitze eines „Wolkenkratzers“, sie wäre für sie schon „galaktisch“ weit weg. Für Maus und Ameise ist der Kopf eines Menschen somit längst im Himmel - oder? Wo also fängt der Himmel an?

„Himmel auf Erden“

Auch unsere Alltagssprache hat den Himmel schon auf die Erde geholt. Sie wirbt für ein „himmlisches Vergnügen“, besingt den „Himmel auf Erden“ und den „siebten Himmel der Liebe“. Aber das bringen wir natürlich mehr mit den trivial-romantischen Seiten des Lebens in Verbindung, weniger mit Religion und Gotteserfahrung. Ja, der Himmel Jesu, das Ziel seiner „Himmelfahrt“ scheint unendlich weit weg! Für uns Menschen überhaupt erst nach dem Tod zu erreichen.

Jesus ganz weit weg…

Das heutige Fest „Christi Himmelfahrt“ hat in seinen Traditionen einiges zu dieser „Himmelsferne“ beigetragen. Es wird bereits seit dem 4. Jahrhundert gefeiert. Es machte sich zur Aufgabe, die absolut „überirdische“, so „himmlische“ wie „göttliche“ Größe Jesu zu betonen. Seine weltübersteigende Macht zu feiern und seine „Berufung zum Weltenrichter am Ende der Zeiten“ in den Blick zu rücken. Ganz nebenbei hat es damit Jesus und seinen Himmel gefühlsmäßig für uns in unendliche Weltenferne entrückt. Dabei spielte auch die alte Vorstellung mit, der Himmel sei ein „Ort über der Wolken“ und total im „Jenseits“.

JesusGeschichte in Zeitlupe oder Zeitraffer

Als einziger biblischer Schriftsteller erzählt der Evangelist Lukas, der auch die sogenannte „Apostelgeschichte“ verfasst hat, eine realistisch und konkret wirkende „HimmelfahrtsGeschichte“: Jesus wird vor den Augen seiner Jünger „erhoben“ und entschwindet in einer Wolke verhüllt, während sie unverwandt in den Himmel starren (Apostelgeschichte 1,9). Lukas dehnt wie ein „Film in Zeitlupe“ seine OsterErzählung über 50 Tage aus. Nur bei ihm entsteht daraus die Abfolge scheinbar einzelner Ereignisse: Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten. Paulus und die anderen drei Evangelisten sind da viel zurückhaltender. Sie erzählen mehr in Andeutungen, weniger in historisch wirkendem RealitätsModus. Sie bringen die Ereignisse „auf den Punkt“. Filmisch ausgedrückt eher im „Zeitraffer“. Beim Evangelisten Johannes z.B. ist Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten ein einziges Ereignis, ein einziger Moment.

Verwandlung nicht Rückkehr…

Bei Lukas schließt die „Himmelfahrt“ eine 40-tägige Zeitspanne nach Ostern ab. In dieser Zeit sei Jesus seinen Jüngern mehrfach „leibhaft“ erschienen: als Auferstandener von den Toten. So erzählt es Lukas. Das liefert das Problem, wie man sich eine solche Auferstehung und solche „leibhaftigen Erscheinungen“ „körperlich“ vorstellen soll. Oft wird dabei erzählt, dass die Jüngerinnen und Jünger den auferstandenen Jesus nicht direkt erkennen. Mal wird er für den Friedhofsgärtner gehalten, ein andermal für einen Bittsteller, der etwas zu essen möchte. Daraus schließe ich: Jesus ist nicht einfach so ins Leben zurückgekehrt, wie jemand von einer Reise oder aus tiefem Schlaf. Auferstehung ist für mich darum weniger Rückkehr, als vielmehr Verwandlung. Die Freunde Jesu machen die Erfahrung: Der Tod hat ihnen Jesus nicht weggenommen. Er ist immer noch sehr lebendig bei ihnen. Er ist sehr stark - in ihnen.

Niemals weit weg…

Und darum können wir von der „MäuseAmeisenPerspektive“ und aus unserer Alltagssprache für das heutige Fest etwas Entscheidendes lernen. Nämlich: Der Himmel ist niemals weit weg! Und: Die Himmelfahrt hat Jesus überhaupt nicht von uns entfernt! Und der Himmel beginnt für uns nicht erst nach dem Tod, sondern er ist schon längst da!

Gott gasförmig…

Lassen Sie mich die Sache mit der Himmelfahrt bildhaft mit einem Begriff aus der Physik übersetzen. Himmelfahrt erzählt davon, dass die Liebe Gottes den „Aggregatzustand“ ihrer Anwesenheit in der Welt verändert. Aggregatzustand nennt die Physik die flüssige, gasförmige oder feste Form eines Stoffes. Wenn Wasser z.B. verdampft, verschwindet es ja nicht aus unserer Atmosphäre. Wenn es auch unsichtbar wird, bleibt es dennoch wirksam, und wie! Erst das gasförmige Wasser kann als Sauerstoff zur Atemluft unseres Lebens werden.

So stelle ich mir bildhaft vor, wie der auferstandene Christus als Gottes Heiliger Geist die Lebenskraft, der „Atem“ wird für unsere Seele. Vorher war die Liebe Gottes in Jesus von Nazaret Mensch geworden, weltlich greifbar, sichtbar, spürbar. Jetzt im OsterHimmelfahrtsPfingstEreignis wird die Liebe Gottes zur Kraft in unseren Herzen. Von dieser österlich-pfingstlichen Verwandlung erzählt unser heutiges HimmelfahrtsFest.

Atem der Seele…

Gott selbst wird der „Atem“ unserer Seele, die Kraft unserer Liebe. Dadurch kann die Welt zum „Erdgeschoss vom Himmel“ werden! Wo wir diese Kraft in uns einströmen lassen, erhalten wir einen „Vorgeschmack“ vom Himmel, werden füreinander selbst ein kleines Stück Himmel. Das Kompliment „Du bist ein Engel“ ist dann kein bisschen mehr trivial. So wird der Himmel greifbar und begreifbar. Und zwar auch ganz konkret: Wir sprechen – in Wort und Tat - endlich die Sprache der Liebe, die jeder versteht, die versöhnt und heilt! Neid und Egoismus können unsere Herzen nicht mehr vergiften. Himmel und Erde berühren sich. Christi Himmelfahrt ist damit so etwas wie eine innere Dimension von Pfingsten: das Wasser, mit dem ich einst getauft wurde, es verwandelt sich – bildlich gesprochen - zum lebensspendenden Atem Gottes für meine Seele. Er stärkt uns und er schickt uns in die Welt, um den Menschen ein „Stück vom Himmel“ zu zeigen und zu schenken.

Erdgeschoss vom Himmel…

Suchen wir also Jesus und seinen Himmel nicht „irgendwo oben“, in einem jenseitigem „Wolkenkuckucksheim“. Der Himmel beginnt in unseren Herzen. Wenn wir den Heiligen Geist, den Atem der Liebe Gottes in uns hinein lassen, damit er uns ergreift und verwandelt. Manchmal habe ich es schon erfahren und gespürt, dass wir selbst ein „Stück vom Himmel“ sind. Und die Welt - ist sein Erdgeschoss!

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