hr4 ÜBRIGENS
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Brüning, Dr. Barbara

Eine Sendung von

Katholische Journalistin, Autorin und Systemische Familienberaterin, Frankfurt

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Genießen nach der Fastenzeit

Wie jedes Jahr gönne ich mir vor Ostern eine Woche Fasten. Als ich das zum ersten Mal gemacht habe, hab ich einen Riesen Respekt davor gehabt. Aber es hat mir so gut getan, dass ich beschlossen habe: Das mache ich jetzt öfter. Inzwischen fällt mir das Fasten leicht. Und ich freue mich schon auf die Zeit. Was mir am besten gefällt, ist die Vorfreude auf den intensiven Geschmack hinterher. 

Die kommen dann in die Mitte

In diesem Jahr ist es so, dass nach Ende meiner Fastentage auch ein Kurs über das Schreiben zuende geht, den ich selbst gebe. Den letzten Kurstag feiern wir immer mit einer großen Tüte Jelly Beans. Das sind diese kleinen bunten Bonbons, die es scheinbar in unendlich vielen Geschmacksrichtungen gibt. Die stelle ich dann in die Mitte. Jeder nimmt sich vier zufällig heraus, lässt sie langsam auf der Zunge zergehen und schreibt dann eine Geschichte zu den Erinnerungen, die ihm oder ihr dazu kommen. Mich erstaunt das immer wieder, wie intensiv die Bilder sind, die der Geschmack hervorruft. Plötzlich schmecke ich Himbeere, und es schmeckt wie der Sommer im Garten meiner Oma. Oder Karamell Popcorn – das schmeckt ungelogen so wie ein Besuch auf der Kirmes früher. 

„Der Geschmack nach Leben“

Mir scheint: Ein Geschmack öffnet die Tür zu einer ganzen vergangenen Welt. Ich erlebe die Farben wieder, und die Gerüche und die Teilnehmer und Teilnehmerinnen an meinem Kurs erzählen das auch. Manche dieser kleinen Süßigkeiten schmecken plötzlich sogar nach Freiheit oder nach Glück, sagen sie.

Über meinem Schreibtisch hängt ein altes Kalenderblatt, das ich mal aufgehoben habe: Da steht „Der Geschmack nach Leben.“ Ja, sage ich mir: gerade wenn ich gefastet habe, dann spüre ich deutlich die Sehnsucht nach dem Geschmack des Lebens. Auf meinem Kalenderblatt steht dann auch noch: „Das Leben verkosten, weil sich Gott in allem suchen und finden lässt.“ – Das gefällt mir gut.