hr4 ÜBRIGENS
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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

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Auf die Haltung kommt es an

Er ist am Ende, mit 60 Jahren. Nachbarn finden ihn und seine Frau Lotte im Haus auf dem Bett liegen, die Hände gefaltet. Der Dichter Stefan Zweig (1881 – 1942) ist tot. Heute vor 74 Jahren. Mit Schlafmitteln hat er sich das Leben genommen. Er ist am Ende. Seit acht Jahren reist, nein, flieht er vor den Nationalsozialisten. Erst nach Belgien, dann London, zuletzt nach Brasilien. Nun kann er nicht mehr, der weltberühmte Weltbürger. Ihm fehlt die Heimat Österreich und Europa. Und ihm fehlt die Kraft zu kämpfen. Er fürchtet, den Nazis in die Hände zu fallen. Er ist Jude. Da hilft ihm die Weltberühmtheit nichts. Seine Bücher sind längst verbrannt in Deutschland. Jetzt sind seine Hände gefaltet. Auch im Tod hält er sich an das, was er geschrieben hat:

Es kommt nicht auf das Gewinnen oder Verlieren an, sondern auf die Haltung.

Die hat er, mit Gottes Hilfe. Sie ist ihm wichtig. Von Haltung im Leben hat er geschrieben in der „Schachnovelle“ und den „Sternstunden der Menschheit“. Was einer glaubt und hofft, ist das eine; wie einer aber damit lebt, jeden Tag, ist das andere. Man kann viel glauben und über die Liebe reden; am Ende kommt es doch auf die Haltung an, die man daraus gewinnt. In dem Moment, der wirklich zählt. Verrät man dann seine Freunde? Zeigt man den Nachbarn an? Liefert man gar die eigene Familie der Polizei aus? Alles hat Stefan Zweig erlebt oder davon gehört. Mit Grausen wendet er sich nun ab. Was ist der Glaube an die Liebe im Leben denn wert, wenn man ihn einfach über Bord wirft? Um die eigene Haut zu retten? Und es hinterher natürlich nicht gewesen sein will? Schlägt denn kein Gewissen mehr?

Dann besser wenig reden. Aber eine klare Haltung bewahren. Und aufrichtig bleiben. Zu sich und zu Gott. Dem geht es doch nicht um unser Reden oder Gewinnen oder Verlieren. Aber um unsere Haltung. Wenn’s drauf ankommt: Zu Gott stehen. Und zueinander.