Ein Zaubermantel. Aus Liebe.
für Isabella von der Recke
Ein schöner Abschied. Die zwei Kinder sind dick eingepackt, es ist kalt. Ihre Mützen sitzen fest auf dem Kopf und die Schulranzen auf ihrem Rücken. Sie sind spät dran. Als sie am Geschäft ihres Papas vorbeigehen, läuft der hinaus und nimmt sie kurz in den Arm. Passt schön auf, sagt er, es ist ganz nass auf der Straße. Ja ja, sagen die Jungs nur. Der Papa nimmt seine Hand, legt sie jedem Jungen an den Kopf und gibt ihnen einen Kuss. Bis heute Mittag, sagt er. Die Jungs laufen weiter Richtung Schule. Der Abschied war schön. Wie jeden Morgen.
Man geht anders durchs Leben, wenn man geliebt wird. Leichter, luftiger. Die Schritte werden einem nicht ganz so schwer. Egal, ob man Kind ist oder schon groß oder sehr alt. Man geht anders durchs Leben, wenn man sich geliebt weiß. Immer hat man dann so eine Art Zaubermantel um sich. Der hält warm, wenn es eiskalt ist und Wärme gut tut. Bei Hitze ist er wie kühle Seide, damit die Sonne nichts verbrennt. Man denkt an die, die einen lieb haben, und schon ist manches unbeschwert. Nicht nur bei Kindern. Auch bei der Frau, die ins Krankenhaus muss und Angst hat. Natürlich hat sie das. Sie ist Mitte dreißig. Die Aussichten sind nicht so gut. Das Krankenhaus muss sein. Ihr Vater bringt sie, Kind und Mann besuchen sie. Der Arzt hat Geduld für ihre Fragen, die Schwestern schenken etwas Ruhe. All das legt sich wie schützend um die Frau. Ein Wundermantel aus Liebe. So geht es sich etwas leichter durch die Zeit, auch durch dunkle Zeit.
Garantien gibt es für nichts im Leben. Auch wenn alles in schönen Bahnen läuft, ist doch nichts für immer. Wie schnell gibt es Streit in der Familie. Wie nah ist der Ärger, wenn jemand nur eigene Interessen verfolgt. Und Schmerzen können jeden Tag kommen. Niemand garantiert für Frieden und Glück. Außer die Liebe, die jemand gibt. Einfach so. Liebe macht weder reich noch gesund. Sie breitet nur ihren Zaubermantel aus, locker und leise. Den lege ich um mich wie etwas, das nicht von dieser Welt ist. Wenigstens ein Mensch, denke ich oft, wenigstens ein Mensch soll unbeschwerter leben, weil ich ihn lieb habe. Und wenn es drei oder vier sind, hat Gott auch nichts dagegen.