Alles wollen, alles geben
Sie will alles und gibt alles. Sylvie ist 26 Jahre und hat alles getan, um berühmt zu sein. Mit 12 Jahren will sie Kinderstar werden und bewirbt sich beim Fernsehen. Das merken die Eltern und verbieten ihr den Auftritt. Drei Jahre später versucht sie es wieder und scheitert. Ihre Lehre opfert sie dem erhofften Ruhm. Erst jobbt sie ein Jahr, dann kommt der große Moment: Deutschland sucht den Superstar. Sylvie tritt auf und – verliert. Obwohl sie Zweite wird, spricht bald kein Mensch mehr von ihr. Trotzdem gibt sie weiter alles: Hier eine Nebenrolle, dort ein Lied auf dem Betriebsfest und schließlich noch eine große Show, bei der sie verliert. Heute ist sie 26 und enttäuscht. Vierzehn Jahre lang hat sie alles gewollt, alles gegeben und nichts erreicht. Verlorene Zeit, könnte man sagen.
Sylvie hat Glück. Da ist ein junger Mann mit Namen Alex. Manchmal ist Sylvie genervt von ihm. Er glaubt nämlich nicht an ihren Traum. Besser gesagt: Er glaubt anders als seine Freundin. Alex glaubt, dass Fernsehen und Show nicht so wichtig sind. Und Liebe, Freundschaft, Ehrlichkeit wichtiger sind. Dass man sich nicht verbiegen darf, um berühmt zu werden. Sich lieber um Freunde kümmern soll, um Eltern und Geschwister, um die Liebe. Und um einen Beruf, der zufrieden macht. Da soll man alles wollen und alles geben. Meint Alex. Das nervt Sylvie. Der soll mich in Ruhe lassen damit, sagt sie.
Sagte sie. Heute nämlich ist Sylvie nachdenklicher. Wenn sie in den Spiegel schaut, sieht sie nicht mehr den Traum vom Ruhm, der bald kommt oder nicht kommt. Heute sieht sie, was ihr fehlt. Was sie geopfert hat für den Ruhm. Wen sie zur Seite gedrückt hat, um besser voranzukommen. Dann vergießt sie schon mal ein paar Tränen und tut sich leid. Gut, dass Alex da ist, einfach nicht weggeht. Wenn er spürt, wie seine Freundin sich leid tut, sagt er ernst: In meiner Welt bist du weltberühmt. Dann muss Sylvie laut lachen. Und will es heimlich nur zu gerne glauben.