Vergebung ist, wenn das Leben leichter wird

Gerade steht in Potsdam eine Frau vor Gericht. Sie war nur einen Moment unaufmerksam. Aber diese Sekunde wird zur Schuld, führt zu einer Tragödie. Zu schnell gefahren, die Straße nass, ein kurzer Moment sorglos – und 14 Menschen sterben wegen dieser Frau bei einem Busunfall. Was für eine Tragödie. So viele sind kurz mal unaufmerksam im Verkehr. Auch ich fahre manchmal zu schnell, aber die Frau trifft es so hart. Sie hat eine unfassbar große Schuld. Wie kann man so etwas tragen; ein Leben lang?

Man kann es nicht tragen, wenn man es leugnet. So viel ist sicher. Der erste Schritt beim Tragen ist also: sich eingestehen, was geschehen ist und welchen Anteil man daran hat. Ehrlich sein ist viel. Ja, ich war es – das nimmt einer Tat etwas von ihrer Wucht. Der zweite Schritt ist reden. Ich muss immer wieder darüber reden, was geschehen ist, wie es und warum es geschehen ist. Ja, ich war unaufmerksam, viel zu leichtsinnig; ich habe die Verhältnisse unterschätzt oder mich überschätzt. Wenn ich rede und erzähle, gebe ich etwas von der Wucht ab, die mich niederdrückt. Die Schuld bleibt Schuld, aber sie liegt etwas weniger schwer auf meiner Seele. Ich rede darüber, bringe das Unfassbare in Worte. Und wenn ich keine eigenen Worte mehr habe, leihe ich mir welche. Vielleicht diese hier:

Sei mir gnädig, Gott, denn ich bin schwach;
meine Schuld wächst mir über den Kopf wie eine schwere Last.
(nach Psalm 38)

Alles, was man erzählt, wird leichter. Dabei gibt es keinen Unterschied, ob man es Gott erzählt oder Menschen. Hauptsache, man schont sich selber nicht und erklärt sich nicht zum Opfer, wenn man doch Täter ist. Hauptsache, man ist ehrlich zu sich, zu Menschen und Gott. Vielleicht können mich die Opfer lange nicht entschuldigen, wenn auf meine Sorglosigkeit eine Tragödie folgt. Gott aber wird mir vergeben, da bin ich gewiss. Er will sich erbarmen. Das spüre ich auch, weil ich dann ruhiger atme. Vergebung ist, wenn sich mein Leben leichter anfühlt.